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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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mal eine Viertelstunde bis zu meiner Wohnung. Ich muss dich allerdings warnen, es ist nichts Besonderes. Nicht, dass du Parkettfußböden und große Fenster mit wehenden Vorhängen erwartest oder so. Es sind nur zwei Zimmer über einem Innenhof.«
    »Eine Mansarde.«
    »Genau. Eine Mansarde.«
    »Eine Schriftsteller-Mansarde.«
    Als Vorbereitung auf den Besuch hatte Emma einen malerischen Weg auswendig gelernt, oder zumindest so malerisch, wie es im Staub und Verkehr des nordöstlichen Paris eben möglich ist. Ich ziehe für den Sommer nach Paris, um zu schreiben. Im April war ihr die Idee fast beschämend dekadent und abgehoben erschienen, aber sie hatte die Nase so voll davon, ständig von irgendwelchen verheirateten Paaren gesagt zu bekommen, dass sie jederzeit nach Paris fahren konnte, dass sie beschlossen hatte, es zu tun. London hatte sich in eine riesige Kinderkrippe verwandelt, und warum sollte sie nicht einmal den Kindern anderer Leute entkommen und ein Abenteuer erleben? Die Stadt von Sartre, de Beauvoir, Beckett und Proust – jetzt schrieb sie hier an einem Jugendbuch, wenn auch mit erheblichem kommerziellem Erfolg. Der einzige Weg, diesen Plan weniger abgedroschen wirken zu lassen, hatte darin bestanden, so weit weg wie möglich vom touristischen Paris zu leben, im neunzehnten Arrondissement, einem Arbeiterviertel an der Grenze zu Belleville und Ménilmontant. Keine Touristenattraktionen, wenige Denkmäler …
    »… aber es ist wirklich lebendig, billig, multikulturell und … Gott, fast hätte ich gesagt, es ist sehr ›echt‹.«
    »Und was bedeutet das, gewalttätig?«
    »Nein, einfach, keine Ahnung, das echte Paris. Ich klinge wie eine Studentin, nicht? Mit 35 Jahren wohne ich in einer Zweizimmerwohnung, als würde ich ein Auslandssemester einlegen.«
    »Ich finde, Paris bekommt dir gut.«
    »Tut es.«
    »Du siehst fantastisch aus.«
    »Im Ernst?«
    »Du hast dich verändert.«
    »Nein. Eigentlich nicht.«
    »Doch, im Ernst. Du bist wunderschön.«
    Stirnrunzelnd sah Emma geradeaus, und ein Stück weiter stiegen sie die Steinstufen zum St.-Martin-Kanal hinunter zu einer kleinen Bar am Ufer.
    »Sieht aus wie in Amsterdam«, bemerkte er ausdruckslos, als er einen Stuhl zurückzog.
    »Genau genommen ist es die alte industrielle Wasserstraße zur Seine.« Hilfe, ich klinge wie eine Fremdenführerin. »Fließt unter der Place de la République und der Bastille durch und dann in den Fluss. Beruhige dich. Er ist ein alter Freund, schon vergessen? Nur ein alter Freund. Sie saßen da, starrten aufs Wasser, und sofort bereute sie die übertrieben malerische Auswahl der Örtlichkeiten. Es war schrecklich, wie bei einem Blind Date. Verzweifelt überlegte sie, was sie sagen konnte.
    »Und, sollen wir Wein bestellen, oder …?«
    »Lieber nicht. Im Moment trinke ich nichts.«
    »Oh. Echt? Seit wann?«
    »Seit einem Monat oder so. Hat nichts mit den Anonymen Alkoholikern zu tun. Ich versuche nur, es zu vermeiden.« Er zuckte die Achseln. »Es ist einfach nur nie was Gutes dabei rausgekommen. Keine große Sache.«
    »Ah. O-kay. Kaffee?«
    »Ja gerne.«
    Die Kellnerin kam, dunkelhaarig, hübsch und langbeinig, aber Dexter sah nicht einmal auf. Etwas stimmt ganz entschieden nicht mit ihm, dachte Emma. Bei der Bestellung gab sie mit ihrem Französisch an und lächelte verlegen, als Dexter eine Augenbraue hochzog. »Ich habe Unterricht genommen.«
    »Hört man.«
    »Natürlich hat sie kein Wort verstanden. Wahrscheinlich bringt sie uns gleich ein Brathähnchen!«
    Nichts. Stattdessen zerdrückte er mit dem Daumennagel Zuckerkörnchen auf dem Metalltisch. Sie versuchte es mit etwas Unverfänglichem.
    »Wann warst du zuletzt in Paris?«
    »Vor etwa drei Jahren. Meine Frau und ich haben einen unserer berühmten Kurztrips hierher gemacht. Vier Nächte im George Cinq.« Er warf einen Zuckerwürfel in den Kanal. » Was für eine Scheiß-Geldverschwendung.«
    Emma machte den Mund auf und wieder zu. Es gab nichts zu sagen. Die »Wenigstens bist du nicht verbittert«-Bemerkung hatte sie schon verbraucht.
    Aber Dexter blinzelte heftig, schüttelte den Kopf und stupste ihre Hand an. »Also, ich hatte mir die nächsten Tage so vorgestellt, dass du mir die Sehenswürdigkeiten zeigst und ich finster vor mich hinbrüte und blöde Bemerkungen mache.«
    Sie lächelte und stupste ihn zurück. »Ist ja auch kein Wunder, bei dem, was du durchgemacht hast, immer noch durchmachst«, sagte sie und legte die Hand auf seine. Kurz darauf legte

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