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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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exklusiven Wandfarbe hinterlässt. Er wirft es noch einmal, mit demselben Erfolg.
    Er verflucht Suki und die eigene Dummheit, macht ein kleines Milchfläschchen fertig, schraubt den Sauger fest auf, steckt es in die Tasche, greift sich die Weinflasche und rennt nach oben, wo Jasmine sich gerade heiser schreit, ein schreckliches Brüllen, so dass ihr schier die Kehle zu zerreißen droht.
    »Verfluchte Kacke, Jasmine, halt einfach die Klappe, hörst du?«, schreit er und schlägt sich sofort beschämt die Hand vor den Mund, als er sieht, dass sie sich im Kinderbett aufsetzt und ihn mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen ansieht. Hastig nimmt er sie heraus, setzt sich mit dem Rücken an die Wand, lässt sie an seiner Brust weiterschreien, legt sie sich in den Schoß, streichelt ihr sehr zärtlich die Stirn, und als das nichts fruchtet, sacht über den Hinterkopf. Gibt es da nicht irgendeinen geheimen Akupressurpunkt, den man mit dem Daumen reibt? Er streicht ihr über die kleine Hand, die sich wütend öffnet und schließt. Nichts hilft, egal, wie sehr er mit seinen monströsen Fingern reibt und streichelt. Vielleicht ist sie krank, denkt er, oder vielleicht ist er einfach nicht ihre Mutter. Nichtsnutziger Vater, nichtsnutziger Ehemann, nichtsnutziger Freund, nichtsnutziger Sohn.
    Was, wenn sie wirklich krank ist? Könnte Kolik sein, denkt er. Oder die Zähne, zahnt sie? Panik erfasst ihn. Muss sie ins Krankenhaus? Vielleicht, nur ist er zu betrunken zum Fahren. Nichtsnutziger, nichtsnutziger, nichtsnutziger Mann. »Komm schon, konzentrier dich«, ermahnt er sich laut. Im Regal steht Medizin, auf der Packung steht »Kann Schläfrigkeit verursachen« – die schönsten Worte der Welt. Früher war es »Kann ich mir ein T-Shirt von dir borgen?« Heute ist es »Kann Schläfrigkeit verursachen«.
    Er schaukelt Jasmine auf den Knien, bis sie sich etwas beruhigt hat, dann steckt er ihr einen Löffel mit Medizin in den Mund, bis er annimmt, dass sie die fünf Milliliter geschluckt hat. In den nächsten zwanzig Minuten führt er eine furiose Kabarettnummer auf und wedelt ihr manisch mit sprechenden Tieren vor dem Gesicht herum. Er geht seinen begrenzen Vorrat an Stimmenimitationen durch, fleht sie mit hoher und tiefer Stimme und in diversen Dialekten an, ruhig zu sein, pscht, pscht, schön einschlafen. Er hält ihr Bilderbücher vor die Nase, macht Klappen auf, zieht an Pappstreifen, zeigt auf Bilder und sagt: »Ente! Muh-Kuh! Tuff-tuff-Eisenbahn! Guck dir den lustigen Tiger an, siehst du?« Er führt ein irrwitziges Puppentheater auf. Ein Plastikschimpanse singt wieder und wieder die ersten Zeilen von … und die Räder an dem Bus , Tinky Winky trägt Old MacDonald vor, und ein Stoffschwein plärrt aus unerfindlichen Gründen Into the Groove . Zusammen zwängen sie sich unter den mit Spielsachen behängten Bogen, das Baby-Fitnesscenter, und trainieren. Er drückt ihr das Handy in die kleinen Hände, lässt sie die Knöpfe drücken, die Tastatur vollsabbern, die Zeitansage abhören, bis sie schließlich, Gott seis gedankt, ruhiger wird und nur noch leise vor sich hinbrabbelt, hellwach, aber zufrieden.
    Im Zimmer steht ein klobiger CD-Spieler von Fisher Price in Form einer Dampflok, und er watet durch die verstreut liegenden Spielsachen und Bücher und drückt auf Play. Entspannende Klassik für Kleinkinder , Teil von Sylvies Baby-Gehirnwäsche-Programm. Der Tanz der Zuckerfee tönt aus den blechernen Lautsprechern. »Geiiiiile Mucke!«, ruft er, dreht am Schlot der Dampflok die Musik lauter, drückt sich Jasmine an die Brust und tanzt benommen Walzer. Sie streckt sich, ballt die spitzen Fingerchen zu Fäusten, öffnet sie wieder und sieht ihren Vater zum ersten Mal ohne Stirnrunzeln an. Einen Augenblick glaubt er, sein Ebenbild lächle zu ihm auf. Schmatzend reißt sie die Augen auf. Sie lacht. »Das ist mein Mädchen! Das ist meine Prinzessin.« Seine Laune hebt sich, und ihm kommt eine Idee.
    Er legt sich Jasmine über die Schulter, stößt gegen den Türpfosten und rennt in die Küche hinunter, wo seine gesamte CD-Sammlung vorübergehend in drei Pappkartons lagert, bis die Regale angebracht werden. Es sind tausende, zumeist Werbegeschenke, das Vermächtnis einer Zeit, als man ihn für einflussreich hielt. Und sie erinnern ihn an seine Tage als DJ, als er mit diesen albernen Kopfhörern durch Soho spaziert ist. Er kniet sich hin und durchwühlt mit einer Hand die Kiste. Es geht nicht darum, Jasmine zum Einschlafen zu

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