Zwei an Einem Tag
Projekte, guter Vorsätze und Ziele, und es war, als sähen sie London zum ersten Mal.
Ihre Freunde nickten weise und sentimental, als hätten sie es schon immer gewusst. Emma wurde Dexters Vater noch einmal vorgestellt – »Natürlich erinnere ich mich. Sie haben mich einen Faschisten genannt« –, und sie legten ihm die Geschäftsidee dar, in der Hoffnung, er würde bei der Finanzierung helfen. Als Alison gestorben war, hatte es eine Abmachung gegeben, dass Dexter zu angemessener Zeit Geld bekommen sollte, und jetzt schien der richtige Moment gekommen zu sein. Insgeheim war Stephen Mayhew zwar davon überzeugt, dass sein Sohn das Geschäft in den Sand setzen würde, aber es war ein geringer Preis für die Gewissheit, dass er nie, nie wieder im Fernsehen auftreten würde. Und Emmas Gegenwart half. Dexters Vater hatte Emma gern, und dank ihr mochte er auch zum ersten Mal seit Jahren seinen Sohn wieder.
Zusammen hatten sie ein Ladenlokal gefunden. Eine Videothek, die mit den Regalen voll verstaubter VHS-Kassetten einen Anachronismus darstellte, hatte zu guter Letzt die Segel streichen müssen, und mit etwas Überredung von Emmas Seite hatte Dexter den Schritt gewagt und einen Pachtvertrag für zwölf Monate abgeschlossen. Während eines langen, feuchten Januars hatten sie die Metallregale entsorgt und die restlichen Steven-Seagal-Videos an örtliche Wohltätigkeitsvereine verteilt. Sie rissen die Tapeten ab, strichen die Wände cremeweiß, brachten dunkle Holzvertäfelungen an und klapperten auf der Suche nach einer anständigen industriellen Kaffeemaschine, Kühlvitrinen und Eisschränken mit Glastür andere, bankrotte Restaurants und Cafés ab; all die gescheiterten Geschäfte erinnerten ihn daran, was auf dem Spiel stand und wie wahrscheinlich es war, dass auch er scheiterte.
Aber Emma stand ihm die ganze Zeit über zur Seite, trieb ihn an und überzeugte ihn immer wieder, dass er das Richtige tat. Das Viertel war laut Immobilienmakler groß im Kommen, wurde immer beliebter bei jungen Berufstätigen, die den Wert des Wortes »Feinkost« zu schätzen wussten, Enten-Confit im Glas haben wollten und denen es nichts ausmachte, zwei Pfund für einen asymmetrisch geformten Brotlaib oder ein Klümpchen Ziegenkäse von der Größe eines Squashballs auszugeben. Es würde die Art von Café werden, wo die Leute demonstrativ ihre Romane schreiben.
Am ersten Frühlingstag saßen sie vor dem teilweise renovierten Geschäft auf dem Gehsteig in der Sonne und stellten eine Liste möglicher Namen zusammen: abgedroschene Kombinationen, die Wörter enthielten wie Magasin, Vin, Pain und Paris, »Pari« ausgesprochen, bis sie sich auf Belleville Café einigten, was einen Hauch von neunzehntem Arrondissement in das Gebiet südlich der A1 bringen sollte. Dexter gründete eine GmbH, seine zweite Firma nach der Mayhem TV AG, mit Emma als Prokuristin und, in eingeschränktem, aber nicht unerheblichem Maße, Co-Investorin. Die ersten beiden Julie-Criscoll -Bücher warfen langsam Gewinn ab, die Zeichentrickserie ging in die zweite Staffel, und es gab Gespräche über Merchandising-Produkte: Federmäppchen, Geburtstagskarten, sogar ein Monatsmagazin. Es war nicht zu leugnen, sie war jetzt »wohlhabend«, wie ihre Mutter es nannte. Nach etlichem Geräusper fand Emma sich in der seltsamen, leicht unangenehmen Lage wieder, Dexter Geld anbieten zu können. Nach etlichem Füßescharren nahm er an.
Die Eröffnung war im April, und in den ersten sechs Wochen stand er hinter der dunklen Holztheke, beobachtete, wie die Leute hereinkamen, sich umsahen, die Nase rümpften und wieder gingen. Aber dann sprach es sich herum, es lief besser, und er konnte sogar ein paar Mitarbeiter einstellen. Er gewann Stammkunden und begann Spaß daran zu haben.
Mittlerweile ist das Café recht angesagt, wenn auch in ruhigerer, zahmerer Form, als er gewohnt ist. Er ist jetzt, wenn überhaupt, nur noch eine Lokalberühmtheit, hauptsächlich wegen seiner großen Kräuterteeauswahl, allerdings ist er immer noch der Schwarm einiger errötender werdender Mütter, die nach der Schwangerschaftsgymnastik bei ihm Pasteten essen, und auf bescheidene Weise hat er so etwas wie Erfolg. Er schließt das schwere Schloss auf, mit dem die Metallgitter gesichert sind, die sich an diesem strahlenden Sommermorgen schon jetzt heiß anfühlen. Er schiebt sie hoch, schließt die Tür auf und fühlt sich, wie? Zufrieden? Froh? Nein, glücklich. Insgeheim ist er zum ersten Mal seit vielen
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