Zwei an Einem Tag
Jahren stolz auf sich.
Natürlich gibt es auch lange, verregnete Dienstage, an denen er die Metallgitter herunterziehen und systematisch alle Rotweinflaschen leersaufen will, aber nicht heute. Es ist ein warmer Tag, heute Abend wird er seine Tochter sehen und einen Großteil der nächsten acht Tage mit ihr verbringen, während Sylvie und Callum, der Arsch, wieder mal in Urlaub fahren. Wie durch ein seltsames Wunder ist Jasmine mittlerweile zweieinhalb Jahre alt, direkt und hübsch wie ihre Mutter, und sie kann ihn begleiten, Kaufladen spielen und sich von den anderen Mitarbeitern verwöhnen lassen. Und wenn er abends nach Hause kommt, wird Emma da sein. Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist er mehr oder weniger da, wo er sein will. Er hat eine Partnerin, die er liebt, begehrt und die außerdem seine beste Freundin ist. Er hat eine wunderschöne, intelligente Tochter. Es geht ihm gut. Alles ist prima, solange sich nur nichts ändert.
Etwa drei Kilometer entfernt, unweit der Hornsey Road, steigt Emma die Treppe hoch, schließt die Haustür auf, und die kühle, abgestandene Luft einer seit vier Tagen leerstehenden Wohnung schlägt ihr entgegen. Sie macht sich Tee, setzt sich an den Schreibtisch, schaltet den Computer ein und starrt ihn fast eine Stunde lang an. Dabei gibt es viel zu tun – sie muss Scripts für die zweite Staffel von Julie Criscoll lesen und absegnen, 500 Wörter des dritten Bandes schreiben und Illustrationen entwerfen. Es gibt Briefe und E-Mails von jungen Lesern, ernsthafte und oft beunruhigend persönliche Zuschriften über Einsamkeit, Mobbing in der Schule und diesen wirklich coolen Jungen, denen sie ihre Aufmerksamkeit widmen muss.
Aber sie muss ständig an Dexters Vorschlag denken. Während des langen, seltsamen Sommers in Paris im letzten Jahr hatten sie bestimmte Vereinbarungen für die gemeinsame Zukunft getroffen – falls es eine gemeinsame Zukunft gab –, und dass sie nicht zusammenwohnen würden, spielte bei ihren Plänen eine zentrale Rolle: getrennte Leben, getrennte Wohnungen, getrennte Freundeskreise. Sie würden versuchen, zusammen und natürlich einander treu zu bleiben, aber nicht auf althergebrachte Art. Kein Abklappern von Immobilienmaklern am Wochenende, keine gemeinsamen Dinnerpartys, keine Blumen zum Valentinstag und keine der üblichen Beigaben häuslichen Zusammenlebens. Beide hatten es versucht, und beide waren gescheitert.
Dieses Arrangement war ihr kultiviert und modern vorgekommen, fast wie ein neuer Lebensentwurf. Aber es ist anstrengend, den Anschein aufrechtzuerhalten, als wollten sie nicht enger zusammensein, und mittlerweile schien es unausweichlich, dass einer von ihnen nachgibt. Allerdings hat sie nicht erwartet, dass es Dexter sein würde. Ein Thema haben sie bisher größtenteils ausgespart, aber jetzt lässt es sich anscheinend nicht mehr vermeiden. Sie wird sich ein Herz fassen und es ansprechen müssen. Kinder. Nein, nicht »Kinder«, besser, ihn nicht gleich zu verschrecken, besser die Einzahl verwenden. Sie will ein Kind.
Sie haben schon früher darüber gesprochen, auf allgemeine, scherzhafte Weise, und er hat ausweichend gegrunzt und Dinge gesagt wie, vielleicht später, wenn sich alles etwas beruhigt hat. Aber wie viel ruhiger kann es denn noch werden? Das Thema steht im Raum, und sie stolpern ständig darüber. Es steht im Raum, wenn ihre Eltern anrufen, und es steht im Raum, wenn Dexter und sie sich lieben (nicht mehr ganz so oft und ausschweifend wie in der Pariser Wohnung, aber immer noch oft genug). Es hält sie nachts wach. Manchmal hat sie den Eindruck, ihr Leben anhand ihrer Ängste um drei Uhr morgens zusammenfassen zu können. Früher waren es Jungs, dann viel zu lange Geld, dann die Karriere, dann ihre Beziehung mit Ian, dann ihre Untreue. Und jetzt das. Sie ist 36, sie will ein Kind, und wenn er keines will, dann sollten sie besser …
Was? Getrennte Wege gehen? Ein Ultimatum aufzustellen, kommt ihr melodramatisch und entwürdigend vor, und die Drohung in die Tat umzusetzen, erscheint ihr, zumindest im Moment, unvorstellbar. Aber sie beschließt, das Thema noch heute Abend anzuschneiden. Nein, nicht heute Abend, wenn Jasmine da ist, aber bald. Sehr bald.
Nach einem Morgen voller Ablenkungen und Zeitverschwendung geht Emma gegen Mittag ins Schwimmbad, schafft es aber nicht, den Kopf freizukriegen, obwohl sie eine Bahn nach der anderen crawlt. Dann radelt sie mit nassen Haaren zu Dexters Wohnung und sieht bei ihrer Ankunft einen
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