Zwei an Einem Tag
die Unterhose an!«, rief sie ihm nach, und sah seinen langen braunen Rücken und den weißen Po, als er zum Meer stolzierte. »Du bist hier nicht beim Sexface, klar?« Er stürzte sich in die Brandung, sie blieb benebelt und schwankend stehen und kam sich verlassen und lächerlich vor. War das nicht eine der Erfahrungen, nach denen sie sich sehnte? Warum konnte sie nicht spontaner und leichtsinniger sein? Wenn sie zu feige war, nackt schwimmen zu gehen, wie sollte sie je einem Mann sagen, dass sie ihn küssen wollte? Noch bevor Emma den Gedanken zu Ende gedacht hatte, griff sie nach dem Saum ihres Kleides und zog es sich mit einer fließenden Bewegung über den Kopf. Sie streifte die Unterwäsche ab, warf sie mit dem Fuß hoch, ließ sie liegen, und rannte lachend und fluchend zum Wasser.
Dexter stand auf Zehenspitzen so weit draußen, wie er sich traute, rieb sich Wasser aus den Augen, sah aufs Meer hinaus und fragte sich, was als Nächstes passieren würde. Gewissensbisse; er bekam Gewissensbisse. Ein Schlamassel drohte, und hatte er nicht beschlossen, Schlamassel nach Möglichkeit ein Weilchen zu vermeiden und weniger leichtsinnig und spontan zu sein? Es ging hier schließlich um Emma Morley, und Em war ihm teuer, seine wohl beste Freundin. Und was war mit Ingrid, die er insgeheim Ingrid die Schreckliche getauft hatte? Er hörte ein ersticktes Juchzen vom Strand, drehte sich um und sah aus dem Augenwinkel, wie Emma nackt ins Wasser stolperte, als hätte sie jemand gestoßen. Offenheit und Ehrlichkeit, das würde sein Motto sein. Platschend und spritzend kam sie auf ihn zugekrault, und er entschied, zur Abwechslung offen und ehrlich zu sein, um zu sehen, was ihm das einbrachte.
Keuchend kam Emma bei ihm an. Als ihr plötzlich auffiel, wie klar das Meer war, versuchte sie, gleichzeitig Wasser zu treten und die Brust mit dem Arm zu bedecken. »Das ist es also.«
»Was?«
»Nacktbaden!«
»Ja. Was hältst du davon?«
»Ganz nett, schätze ich. Witzig. Was muss ich jetzt tun, nur rumplanschen, dich nass spritzen oder was?« Mit einer Hand spritzte sie ihm etwas Wasser ins Gesicht. »Mache ich es so richtig?« Bevor er zurückspritzen konnte, wurde sie von der Strömung erfasst und zu ihm getragen, der mit beiden Beinen fest auf dem Grund stand. Er fing sie auf, ihre Körper berührten sich, die Beine ineinander verschlungen wie Finger, bevor sie sich wie bei einem Tanz wieder trennten.
»Du siehst so nachdenklich aus«, sagte sie, um das Schweigen zu brechen. »He, pinkelst du etwa ins Wasser?«
»Nein …«
»Also?«
»Ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut. Was ich vorhin gesagt habe …«
»Wann?«
»Im Restaurant, weil ich oberflächlich war und so.«
»Schon okay. Ich bin dran gewöhnt.«
»Und ich wollte auch sagen, dass ich für dich das Gleiche empfunden habe. Damals. Ich meine, ich fühlte mich auch zu dir hingezogen, ›romantisch‹, meine ich. Ich hab zwar keine Gedichte geschrieben oder so, aber ich hab an dich gedacht, denke immer noch an dich, an dich und mich. Ich meine, ich steh auf dich.«
»Wirklich? Oh. Echt? Okay. Oh. Okay.« Es passiert wirklich, dachte sie, genau hier und jetzt, während wir nackt in der Ägäis stehen.
»Mein Problem ist …«, und er seufzte und lächelte schief. »Na ja, ich stehe auf so ziemlich jeden !«
»Aha«, war alles, was sie herausbrachte.
»… wirklich jeden, auf der Straße, genau, wie du gesagt hast, jeder ist mein Typ. Es ist ein Alptraum.«
»Du Ärmster«, sagte sie matt.
»Ich meine, ich war – bin – noch nicht bereit für eine, du weißt schon, Beziehungskiste. Ich glaube, wir wollen verschiedene Dinge. Von einer Beziehung.«
»Weil du … schwul bist?«
»Ich meins ernst, Emma?«
»Wirklich? Das weiß man bei dir nie so genau.«
»Bist du sauer auf mich?«
»Nein! Mir doch egal! Wie gesagt, das ist lange her, eine Ewigkeit …«
»Aber!« Er umfasste unter Wasser ihre Taille und hielt sie fest. »Aber wenn du ein bisschen Spaß willst …«
»Spaß?«
»Die Regeln brechen …«
»Scrabble spielen?«
»Du weißt schon. Ein kleines Urlaubsabenteuer. Nichts Festes, keine Verpflichtungen, kein Wort zu Ingrid. Unser kleines Geheimnis. Ich wär in Stimmung. Das ist alles.«
Sie gab eine Mischung aus Lachen und Knurren von sich. In Stimmung. Erwartungsvoll grinste er sie an wie ein Verkäufer, der ein günstiges Finanzierungsangebot macht. Unser kleines Geheimnis, vermutlich nur eines unter vielen. Der Satz »Ein Mund ist nur
Weitere Kostenlose Bücher