Zwei an Einem Tag
1983 Polly Dawson in deren Zimmer geküsst hatte, aber damit würde er ihr anschließend endlos in den Ohren liegen. Außerdem hatte sie schon den ganzen Abend gewusst, was sie sagen wollte. Als Like a Prayer auf der Zither gespielt wurde, leckte sie sich die Lippen und setzte eine Miene auf, die sie für ihr bestes, attraktivstes Fotogesicht hielt, zu dem neben einem Schlafzimmerblick noch ein paar andere winzige Veränderungen gehörten.
»Als wir uns an der Uni kennengelernt haben, bevor wir, du weißt schon, Kumpels wurden, da war ich, äh, ein bisschen in dich verknallt. Eigentlich nicht nur ein bisschen, sondern bis über beide Ohren. Jahrelang. Hab schnulzige Gedichte geschrieben und so.«
»Gedichte? Echt?«
»Ich bin nicht stolz darauf.«
»Aha. Verstehe.« Er legte die verschränkten Arme auf den Tisch und senkte den Blick. »Also entschuldige, Em, aber das zählt nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil du gesagt hast, es müsste etwas sein, was ich noch nicht weiß.« Er grinste, und sie wurde wieder einmal daran erinnert, wie grenzenlos enttäuschend er sein konnte.
»Mann, bist du ein Arsch!« Mit dem Handrücken schlug sie ihn auf die schlimmste Stelle seines Sonnenbrandes.
»Au!«
»Woher weißt du das?«
»Tilly hat geplaudert.«
»Heißen Dank auch, Tilly.«
»Und was ist passiert?«
Sie starrte in ihr Glas. »Ich schätze, mit der Zeit kommt man einfach drüber weg. Wie über Herpes.«
»Nein, im Ernst, was ist passiert?«
»Ich habe dich besser kennengelernt. Das hat mich kuriert.«
»Die Gedichte würde ich gerne mal lesen. Was reimt sich auf ›Dexter‹?«
»›Dreckskerl‹. Ein unreiner Reim.«
»Jetzt sag mal, was hast du damit gemacht?«
»Vernichtet. Hab sie schon vor Jahren verbrannt.« Sie kam sich blöd und im Stich gelassen vor und führte das leere Glas an die Lippen. »Zu viel Branntwein. Lass uns gehen.« Zerstreut hielt sie nach dem Kellner Ausschau, und auch Dexter kam sich blöd vor. Er hätte so vieles sagen können, warum musste er so selbstgefällig, oberflächlich und kleinlich sein? Bestrebt, es wiedergutzumachen, stupste er sie an. »Machen wir einen Spaziergang?«
Sie zögerte. »Okay. Gehen wir.«
Sie schlenderten die Bucht hinunter, vorbei an den halbfertigen Häusern der Stadt, die sich entlang der Küste ausbreiteten, eine touristische Erschließung, die beide auf nicht gerade originelle Weise beklagten. Während der Unterhaltung beschloss Emma im Stillen, von jetzt an vernünftiger zu sein. Verwegenheit und Spontaneität lagen ihr nicht, sie kriegte es einfach nicht auf die Reihe, nie kam dabei heraus, was sie sich erhofft hatte. Das Geständnis hatte sich angefühlt, als würde sie mit aller Kraft einen Ball werfen, ihn hoch durch die Luft segeln sehen und kurz darauf Glas zersplittern hören. Sie beschloss, in der verbleibenden gemeinsamen Zeit vernünftig und nüchtern zu bleiben und Die Regeln zu beherzigen. Denk daran, zu Hause in London wartet die bildschöne, hemmungslose, bisexuelle Ingrid auf ihn. Keine unangemessenen Enthüllungen mehr. In der Zwischenzeit würde sie die blöde Unterhaltung im Restaurant einfach mit sich herumschleppen müssen wie Klopapier unterm Schuh.
Sie hatten die Stadt jetzt hinter sich gelassen, Dexter nahm ihre Hand, um sie zu stützen, als sie schwankend über die trockenen, immer noch warmen Dünen stolperten. Sie gingen zum Meer, wo der Sand nass und fest war, und Emma fiel auf, dass er immer noch ihre Hand hielt.
»Wo gehen wir überhaupt hin?«, fragte sie und merkte, dass sie lallte.
»Ich geh schwimmen. Kommst du mit?«
»Du hast sie wohl nicht alle.«
»Komm schon!«
»Ich geh unter wie ein Stein.«
»Ach was. Schau doch, wie schön es ist.« Ruhig und klar lag das Meer da wie ein fantastisches Aquarium, jadegrün mit einem phosphoreszierenden Schimmer; nähme man eine Handvoll Wasser heraus, würde es im Dunkeln leuchten. Dexter zog sich schon das T-Shirt über den Kopf. »Komm schon. Das macht uns wieder nüchtern.«
»Aber ich hab doch gar keinen Badeanz…« Es dämmerte ihr. »Oh, ich verstehe«, lachte sie, »Ich verstehe, was hier abgeht …«
»Was?«
»Ich bin voll drauf reingefallen, stimmts?«
»Was denn?«
»Der alte Nacktbadetrick. Füll ein Mädchen ab, such das nächste größere Gewässer …«
»Emma, du bist so was von verklemmt. Warum eigentlich?«
»Geh alleine, ich warte hier.«
»Schön, aber du verpasst was.« Er drehte ihr den Rücken zu, zog Hose und Unterhose aus.
»Lass
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