Zwei an Einem Tag
Wasser und versuchte sich auf die winzige Schrift des russischen Romans zu konzentrieren, die mit jeder Seite noch zu schrumpfen schien. Abrupt stand sie auf, ging zu dem kleinen Kühlschrank, den sie mit Wasser und Bier gefüllt hatten, nahm eine Dose heraus und bemerkte, dass die Badezimmertür aufgegangen war.
Es gab keinen Duschvorhang, und sie sah Dexter seitlich mit geschlossenen Augen, zurückgelegtem Kopf und erhobenen Armen unter dem kalten Wasserstrahl stehen. Sie betrachtete die Schulterblätter, den langen braunen Rücken, die beiden Kuhlen über dem kleinen weißen Hintern. Aber oh Gott, er drehte sich um, und die Bierdose glitt ihr aus den Fingern, explodierte zischend und schäumend und rollte geräuschvoll über den Boden. Sie warf ein Handtuch darüber, als wollte sie ein wildes Nagetier einfangen, und als sie aufschaute, sah sie ihren platonischen Freund Dexter, splitterfasernackt bis auf ein Kleiderbündel, das er locker vor sich hielt. »Ist mir aus der Hand gerutscht!«, sagte sie, stampfte den Bierschaum ins Handtuch und dachte: Wenn das acht Tage und Nächte so weitergeht, explodiere ich auch .
Dann war sie mit Duschen an der Reihe. Sie schloss die Tür, wusch sich das Bier von den Händen und verrenkte sich beim Ausziehen in dem winzigen, feuchten Badezimmer, das immer noch nach seinem Aftershave roch.
Regel Nummer vier verlangte, dass Dexter sich auf den Balkon verzog, während sie sich abtrocknete und anzog, aber nach einigem Herumexperimentieren entdeckte er, dass er, wenn er die Sonnenbrille aufbehielt und den Kopf leicht drehte, ihr Spiegelbild in der Glastür sehen konnte, und er beobachtete, wie sie sich abmühte, Lotion auf den unteren Teil der frischgebräunten Rundung ihres Rückens aufzutragen. Er sah, wie sie mit den Hüften wackelte, als sie die Unterwäsche anzog, die Wölbung ihres Rückens und der Schulterblätter, als sie den BH zumachte, und die erhobenen Arme, als das blaue Sommerkleid wie ein Vorhang fiel.
Sie kam auf den Balkon.
»Vielleicht sollten wir hierbleiben«, sagte er. »Statt Insel-Hopping hängen wir einfach eine Woche hier rum, fahren zurück nach Rhodos und dann nach Hause.«
Sie lächelte. »Okay. Vielleicht.«
»Meinst du nicht, dir wird langweilig?«
»Glaub nicht.«
»Glücklich?«
»Na ja, mein Gesicht fühlt sich an wie eine Grilltomate, aber ansonsten …«
»Zeig mal.«
Sie schloss die Augen, drehte sich zu ihm, hob das Kinn, die nassen Haare aus dem strahlenden, frischgeschrubbten Gesicht gekämmt. Es war Emma, aber eine neue Emma. Sie leuchtete, die Worte »von der Sonne geküsst« kamen ihm in den Sinn, und er dachte: Küss sie, umfass ihr Gesicht und küss sie.
Plötzlich machte sie die Augen auf. »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie.
»Was du willst.«
»Partie Scrabble?«
»Es gibt Grenzen.«
»Okay, wie wärs mit Abendessen? Anscheinend gibts hier so was wie Griechischen Salat.«
Das Besondere an den Restaurants der kleinen Innenstadt war, dass sie alle gleich aussahen. Ein Geruch nach verbranntem Lamm lag in der rauchgeschwängerten Luft, sie suchten sich ein ruhiges Plätzchen am Rande des Hafens, wo der halbmondförmige Strand begann, und tranken Wein, der nach Pinien schmeckte.
»Weihnachtsbaum«, sagte Dexter.
»Putzmittel«, erwiderte Emma.
Aus den hinter Plastikweinranken verborgenen Lautsprechern schallte Musik, eine Zitherversion von Madonnas Get into the Groove . Sie aßen harte Brötchen, verbranntes Lamm, in Essig schwimmenden Salat, und alles schmeckte wunderbar. Nach einer Weile war selbst der Wein köstlich, wie ein interessantes Mundwasser, und bald fühlte sich Emma bereit, Regel Nummer zwei zu brechen. Kein Flirten.
Sie war nicht sehr geübt im Flirten. Ihre Anfälle von Verspieltheit waren ungraziös und ungeschickt, wie eine normale Unterhaltung auf Rollschuhen. Aber Sonne und Retsina hatten sie sentimental und übermütig gemacht. Sie griff nach den Rollschuhen.
»Ich hab ’ne Idee.«
»Erzähl.«
»Na ja, wenn wir acht Tage hierbleiben, geht uns irgendwann der Gesprächsstoff aus, richtig?«
»Nicht unbedingt.«
»Gehen wir auf Nummer sicher.« Sie beugte sich vor und, legte ihm die Hand aufs Handgelenk. »Ich finde, wir sollten uns was erzählen, was der andere noch nicht weiß.«
»Was, ein Geheimnis?«
»Genau, ein Geheimnis, etwas Überraschendes, und zwar jeden Abend für den Rest des Urlaubs.«
»So was wie Flaschendrehen?« Er machte große Augen. Dexter hielt sich für einen
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