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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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auf Junge von der Straße macht, mit falschem Cockney-Akzent spricht, mit den Ladies flirtet und sich bei den Kids anbiedert, ohne zu ahnen, dass sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig machen, dann ist er der richtige Mann. Die Sendung ist live, also kann man vielleicht seine notorisch unbedarfte Interview-Technik bewundern oder sich alternativ einer Zahnwurzelbehandlung unterziehen. Die Co-Moderation übernimmt die »flippige« Suki Meadows, es gibt Musik von Shed Seven, Echobelly und den Lemonheads. Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt.
    Dexter hat eine Sammlung von Zeitungsausschnitten in einem Schuhkarton von Patrick Cox ganz unten im Schrank, beschließt aber, auf diesen Artikel zu verzichten. Mit jeder Menge Lärm und Unordnung macht er sich noch einen Espresso.
    Neid, nichts als Neid, eine Volkskrankheit, denkt er. Kaum hat man ein bisschen Erfolg, wird man niedergemacht, mir doch egal, ich mag meinen Job, ich habs drauf, es ist nicht so leicht, wie es aussieht, als TV-Moderator braucht man jede Menge Cojones, und man muss schlau sein wie, na ja, auf Zack jedenfalls, und überhaupt, man darf so was nicht persönlich nehmen, Kritiker, wer braucht die schon, niemand wird freiwillig Kritiker, also, ich gehe lieber da raus, mach was, geh ein Risiko ein, als so ein Schlappschwanz zu werden, der für zwölf Riesen im Jahr Leute zur Schnecke macht, ’nem Kritiker ist noch nie ein Denkmal gesetzt worden, denen werd ichs zeigen, ich werds allen zeigen.
    Immer neue Variationen dieses Monologs gehen Dexter an seinem großen Tag durch den Kopf: beim Abstecher ins Produktionsbüro, als er von einem Chauffeur mit der Limousine ins Studio auf der Isle of Dogs gefahren wird, bei der nachmittäglichen Generalprobe, beim Produktionsmeeting, in der Maske, bis zu dem Moment, wo er allein in der Garderobe sitzt, endlich seine Tasche aufmachen und die Flasche herausnehmen kann, die er am Morgen eingepackt hat, sich ein großes Glas Wodka einschenken und es mit lauwarmem O-Saft auffüllen und trinken kann.
    »Kämpft, kämpft, kämpft, kämpft, kämpft …«
    Eine Dreiviertelstunde vor Vorstellungsbeginn schallen die Anfeuerungsrufe durch den gesamten Englischtrakt.
    »Kämpft, kämpft, kämpft …«
    Als Emma den Flur entlanghastet, sieht sie Mrs Grainger aus der Garderobe stolpern wie auf der Flucht vor einem Feuer. »Ich habe versucht sie aufzuhalten, aber sie wollen nicht auf mich hören.«
    »Danke, Mrs Grainger, ich kümmere mich darum.«
    »Soll ich Mr Godalming holen?«
    »Bemühen Sie sich nicht. Gehen Sie ruhig zurück zur Bandprobe.«
    »Ich hab ja gesagt, es ist ein Fehler.« Die Hand auf die Brust gelegt, eilt sie davon. »Ich wusste, es würde schiefgehen.«
    Emma atmet tief ein, betritt den Raum und sieht einen Mob aus 30 Teenagern mit Zylindern, Reifröcken und angeklebten Bärten, die johlend und grölend zuschauen, wie der Artful Dodger auf Oliver Twists Armen kniet und ihm das Gesicht auf den staubigen Boden presst.
    »WAS ist hier los, Leute?«
    Der viktorianische Mob dreht sich um. »Sie soll mich loslassen, Miss«, murmelt Oliver ins Linoleum.
    »Sie schlagen sich, Miss«, sagt Samir Chaudhari, ein Zwölfjähriger mit breiten Koteletten.
    »Danke, das sehe ich selbst, Samir«, und sie schiebt sich durch die Menge, um die beiden zu trennen. Sonya Richards, das magere schwarze Mädchen, das den Artful Dodger spielt, hat die Finger immer noch in Olivers fülligem blondem Pagenkopf vergraben, und Emma hält sie an den Schultern fest und sieht ihr in die Augen. »Lass los, Sonya. Lass jetzt los, okay? Okay?« Schließlich gehorcht Sonya, tritt einen Schritt zurück, und ihre Augen füllen sich mit Tränen, als ihre Wut verletztem Stolz weicht.
    Martin Dawson alias Oliver Twist sieht benommen aus. Mit knapp 1,55 Meter ist er sogar größer als Mr Bumble und stämmig gebaut, trotzdem ist der fleischige Waisenknabe den Tränen nah. »Sie hat angefangen!«, sagt er mit zitternder, stimmbrüchiger Stimme und reibt sich das schmutzige Gesicht mit dem Handballen.
    »Das reicht jetzt, Martin.«
    »Ja, halts Maul, Dawson …«
    »Das ist mein Ernst, Sonya. Schluss jetzt!« Emma steht in der Mitte des Kreises, hält die beiden Kontrahenten am Ellbogen wie ein Schiedsrichter beim Boxen, und ihr wird klar, dass sie die Show nur durch eine spontane, mitreißende Rede retten kann, einer der vielen Heinrich-V.-Momente, aus denen ihr Berufsleben besteht.
    »Guckt euch doch nur mal an! Guckt euch an, wie toll ihr

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