Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
Vom Netzwerk:
lähmender Furcht, und ein-, zweimal hatte er sich in der Öffentlichkeit übergeben. Wenn er in einer Bar oder einem Club aufkreuzte, fühlten sich die anderen Männer genötigt, ihm Beleidigungen zuzugrölen oder ihn sogar tätlich anzugreifen, und vor kurzem war er auf einer Bühne mit Flaschen beworfen worden, als er ein Kula-Shaker-Konzert ansagen wollte – das war kein Spaß gewesen. Neulich war er in einer In-Out-Kolumne unter Out aufgeführt worden. Dieses Out hatte ihm keine Ruhe gelassen, aber er tat es als Neid ab. Neid war einfach der Preis, den man für den Erfolg zahlte.
    Er hatte noch andere Opfer bringen müssen. Zu seinem Bedauern war er gezwungen gewesen, ein paar alte Freunde von der Uni loszuwerden, schließlich war es nicht mehr 1988. Sein ehemaliger Mitbewohner Callum, mit dem er ein Geschäft hatte eröffnen wollen, hinterließ zunehmend sarkastische Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, aber Dexter hoffte, dass der Groschen bald fiel. Was sollte man tun, für den Rest seines Lebens in einem großen Haus mit ihnen zusammenleben? Nein, Freundschaft war wie Kleidung: prima, solange sie hielt, aber irgendwann wurde sie fadenscheinig, oder man wuchs heraus. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hatte er frei nach der Devise drei für einen aussortiert. Anstelle der alten, abgelegten Freunde hatte er 30, 40, 50 erfolgreichere, besser aussehende Kumpel gewonnen. Die schiere Masse der Freunde sprach für sich, obwohl er sich nicht sicher war, dass er alle mochte. Er war berühmt, ja berüchtigt für seine Cocktails, seine verschwenderische Großzügigkeit, seine DJ-Qualitäten und die After-After-Show-Partys in seiner Wohnung, und es kam häufig vor, dass er morgens in einem verrauchten Chaos aufgewacht war und bemerkt hatte, dass man ihm die Brieftasche geklaut hatte.
    Egal. Nie hatte es eine bessere Zeit gegeben, ein erfolgreicher, junger Mann in Großbritannien zu sein. London war eine pulsierende Metropole, und irgendwie hatte er das Gefühl, das sei sein Verdienst. Er war ein mehrwertsteuerpflichtiger Mann mit Modem, einem Mini-Disk-Spieler, einer prominenten Freundin und unzähligen Manschettenknöpfen, Besitzer eines Kühlschranks voller Premium-Cider und einem Badezimmer voller Nassrasierer mit diversen Klingen, und obwohl er keinen Cider mochte und von dem Rasierer Ausschlag bekam, war das Leben ziemlich gut – auch bei geschlossenen Fensterläden, mitten am Nachmittag, mitten im Jahr, in der Mitte des Jahrzehnts, in der Nähe des Zentrums der aufregendsten Stadt der Welt.
    Der halbe Nachmittag lag noch vor ihm. Bald wäre es Zeit, seinen Dealer anzurufen. Abends stand eine Party in einem riesigen Haus unweit von Ladbroke Grove auf dem Programm. Zuerst war er zwar mit Emma zum Abendessen verabredet, konnte sie aber bestimmt gegen elf loswerden.
     
     
    Emma lag in der avocadofarbenen Badewanne und hörte, wie sich die Haustür schloss, als sich Ian auf den langen Weg nach Putney ins Haus der Ha Has machte, um seine Stand-up-Nummer zu präsentieren: fünfzehn unglückliche Minuten über den Unterschied zwischen Hunden und Katzen. Sie griff nach dem Glas Wein am Boden, hielt es mit beiden Händen und starrte stirnrunzelnd die Wasserhähne an. Erstaunlich, wie schnell sich die Freude über die neue Wohnung verflüchtigt hatte, wie verloren und billig ihre gemeinsamen Besitztümer in der kleinen Wohnung mit den dünnen Wänden und den fremden Teppichen wirkten. Die Wohnung war nicht schmutzig – jede Oberfläche war fein säuberlich mit einer Drahtbürste geschrubbt worden –, hatte aber eine beunruhigende Klebrigkeit und den hartnäckigen Geruch nach alten Kartons behalten, der sich einfach nicht beseitigen ließ. In der ersten Nacht, nachdem sie die Haustür geschlossen und den Sekt geköpft hatten, hätte sie am liebsten geheult. Es dauert, bis es sich wie unser Zuhause anfühlt, hatte Ian gesagt, als er sie in jener Nacht im Arm hielt, und es sei wenigstens die erste Sprosse auf der Leiter. Aber bei der Vorstellung, die Leiter zusammen mit ihm zu erklimmen, jahrelang, Sprosse für Sprosse, verdüsterte sich ihre Stimmung zusehends. Und was, wenn sie oben ankamen?
    Genug. Heute sollte ein ganz besonderer Abend werden, eine Feier, und sie hievte sich aus der Badewanne, putzte sich die Zähne und benutzte Zahnseide, bis das Zahnfleisch wund war, sprühte sich großzügig mit einem belebenden, holzig-blumigen Duft ein, durchsuchte ihre spärliche Garderobe nach einem Outfit, in dem sie nicht wie

Weitere Kostenlose Bücher