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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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soll.
    »Vielleicht«, sagte sie vom Türrahmen aus, »vielleicht«. Sie warf ihm einen Kuss zu, lächelte und schloss die Tür.
    Es gab keinen Morgen mehr, nur noch den Morgen danach.
    Mit hämmerndem Herzen und schweißgebadet wachte Dexter kurz nach Mittag vom Geschrei einer Frau auf, aber es stellte sich heraus, dass es nur M People waren. Er war wieder mal vor dem Fernseher eingeschlafen und hörte jetzt die Aufforderung: Search for the hero inside yourself .
    So verbrachte er alle Samstage nach Sperrstunde, in abgestandener Luft bei am helllichten Tag geschlossenen Fensterläden. Wäre seine Mutter noch am Leben, hätte sie die Treppe hochgerufen, er solle endlich aufstehen und was Vernünftiges tun, stattdessen saß er rauchend in den Unterhosen vom Vortag auf dem schwarzen Ledersofa, spielte auf der PlayStation Ultimate Doom und versuchte, den Kopf möglichst wenig zu bewegen.
    Am Nachmittag setzte die Wochenenddepression ein, deshalb beschloss er, sich in Abmischen zu üben. Dexter war eine Art Amateur-DJ, hatte Wände voller CDs und seltene Vinyl-Exemplare in maßgefertigten Pinienständern, zwei Plattenspieler und ein Mikro, alles steuerlich absetzbar. Oft konnte man ihn in Plattenläden in Soho beobachten, mit riesigen Kopfhörern, die aussahen wie Kokosnusshälften. Immer noch in Unterhosen mixte er müßig als Vorbereitung auf den nächsten Männerabend verschiedene Break Beats auf seinem brandneuen CD-Mischpult. Aber irgendetwas fehlte, und bald gab er auf. »Es geht doch nichts über Vinyl«, verkündete er laut, dann fiel ihm auf, dass niemand im Raum war.
    Wieder deprimiert seufzte er und ging langsam in die Küche, wie ein Mann, der sich von einer Operation erholt. Der riesige Kühlschrank war randvoll mit Cider-Flaschen, einer aufregenden, neuen Marke der gehobenen Preisklasse. Neben der Moderation seiner Show – sie wurde als »Trash« bezeichnet, was anscheinend etwas Gutes war – hatte er sich neuerdings auch als Werbesprecher versucht. Man sagte, er sei »klassenlos«, anscheinend auch etwas Gutes. Ein Musterexemplar des neuen britischen Mannes, weltgewandt und wohlhabend, der sich seiner Männlichkeit, seines Geschlechtstriebs, seiner Vorliebe für Autos, große Titan-Uhren und technischen Schnickschnack aus poliertem Stahl nicht schämte. Bis jetzt hatte er Werbung für Premium-Cider gemacht, der auf ein junges, Ted-Baker-tragendes Zielpublikum zugeschnitten war, sowie für einen außergewöhnlichen neuen Nassrasierer, ein Objekt wie aus einem Sci-Fi-Film, mit diversen Klingen und einem Feuchtigkeitsstreifen, der einen schleimigen Film auf der Haut hinterließ, als wäre einem aufs Kinn geniest worden.
    Er hatte sogar einen Abstecher ins Modelgeschäft gewagt, ein langgehegter Traum, was er allerdings nie zugegeben hätte und hastig als »nur ein bisschen Spaß« abtat. Erst diesen Monat war er im Modeteil eines Männermagazins mit dem Thema »Gangsterlook« erschienen, und man konnte ihn auf neun Seiten in maßgeschneiderten, zweireihigen Anzügen auf einer Zigarre kauend oder von Kugeln durchsiebt auf einer Motorhaube bewundern. Mehrere Ausgaben lagen wie zufällig über die ganze Wohnung verstreut, so dass Besucher darüber stolpern mussten. Eine lag sogar auf der Toilette, und manchmal saß er da und starrte das Bild an, auf dem er tot, aber makellos gekleidet auf der Motorhaube eines Jaguars lag.
    Trash zu moderieren mochte ja ganz nett sein, aber auch Trash lässt sich nicht endlos recyclen. Irgendwann würde er etwas Gutes machen müssen, im Gegensatz zu »so schlecht, dass es schon wieder gut ist«, und im Bestreben, an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, hatte er seine eigene Produktionsfirma gegründet, die Mayhem TV AG. Momentan existierte die Firma nur als stylishes Logo auf ein paar schweren Büroartikeln, aber das würde sich sicherlich ändern. Es musste sich ändern; sein Agent Aaron hatte gesagt, »du bist ein großartiger Moderator für Jugendsendungen, Dexy. Das Problem ist, du bist kein Jugendlicher mehr.« Was könnte er sonst noch tun, wenn sich ihm die Chance bot? Schauspielern? Er kannte massenhaft Schauspieler, sowohl beruflich als auch privat, hatte mit einigen Poker gespielt, und ganz ehrlich, was die konnten …
    Ja, beruflich und privat waren die letzten paar Jahre voller Chancen, toller neuer Kumpels, Canapés, Premieren, Hubschrauberflüge und Gejammer über Fußball gewesen. Es hatte natürlich auch ein paar Tiefpunkte gegeben: die Anfälle von Angst und

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