Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
Vom Netzwerk:
Kuris zu suchen, doch wenn Kutschen erwartet wurden, lief ich den Weg hoch, um sie abzupassen. Mam und Joe gegenüber erwähnte ich kein Wort davon, ich hatte mir auch nicht überlegt, was ich sagen wollte, wenn ich Colonel Birch sah. Ich ging einfach nur los und setzte mich draußen vors Queen’s Arms , wo schon andere warteten, um Reisende abzuholen oder selbst weiter nach Exeter zu fahren. Ich erntete seltsame Blicke, was nichts Neues für mich war, nur wurde ich jetzt nicht mehr höhnisch angegrinst, sondern mit Neugierde und Respekt behandelt. Das hatte ich seit der Entdeckung meines ersten Ichthyosauriers nicht mehr erlebt. Die Nachricht von unserem Glück hatte sich verbreitet.
    Als die Kutsche näher kam, flatterte mein Magen wie ein Fisch, der auf dem Bootsboden hin und her schlägt. Sie schien ein Jahr zu brauchen, um die lange Steige durch die Stadt hinaufzufahren. Als sie schließlich anhielt und die Tür sich öffnete, schloss ich die Augen und versuchte mein Herz zu beruhigen, das sich jetzt wie mein Magen aufführte – zwei flatternde Fische.
    Dann stieg Margaret Philpot aus, gefolgt von Miss Louise und schließlich Miss Elizabeth. Mit den Philpots hatte ich nicht gerechnet. Normalerweise schrieb mir Miss Elizabeth, um anzukündigen, mit welcher Kutsche sie kamen, aber ich hatte keinen Brief erhalten. Ich fragte mich, ob Colonel Birch auch noch aussteigen würde, aber dann fiel mir ein, dass Miss Elizabeth niemals mit ihm in einer Kutsche fahren würde.
    Noch nie war ich so enttäuscht gewesen wie in diesem Moment.
    Aber schließlich waren sie meine Freunde, ich musste also hin und sie begrüßen. «Oh, Mary», rief Miss Margaret und fiel mir um den Hals. «Du ahnst nicht, was für Neuigkeiten wir haben! Es ist so überwältigend, mir fehlen fast die Worte!» Sie drückte sich ein Taschentuch vor den Mund.
    Lachend befreite ich mich aus ihrer Umarmung. «Schon gut, Miss Margaret, ich weiß von der Auktion. Colonel Birch hat Joe geschrieben. Und wir haben den Bericht in der Zeitung gelesen.»
    Miss Margarets Gesicht fiel in sich zusammen, und es tat mir ein wenig leid, dass ich ihr den Spaß verdorben hatte, mir eine so unglaublich gute Nachricht zukommen zu lassen. Doch sie erholte sich schnell wieder. «Ach, Mary», sagte sie. «Wie euer Schicksal sich gewendet hat. Ich freue mich so für dich.»
    Auch Miss Louise strahlte mich an, doch Miss Elizabeth sagte nur, «Schön, dich zu sehen, Mary», und hauchte mir einen Kuss auf den Haaransatz hinter der Wange. Selbst nach zwei Tagen in der Kutsche roch sie wie immer nach Rosmarin.
    Als die Sachen der Philpots auf einen Wagen nach Lyme umgeladen waren und sie selbst ebenfalls Platz nahmen, rief Miss Margaret. «Magst du mitkommen, Mary?»
    «Ich kann nicht», sagte ich und deutete zum Strand. «Ich muss Kuris suchen.»
    «Dann komm morgen bei uns vorbei!» Mit einem Winken ließen sie mich in Charmouth stehen. Erst jetzt traf mich die volle Wucht der Enttäuschung, dass Colonel Birch nicht in der Kutsche gewesen war. Bedrückt ging ich zum Strand zurück und fühlte mich kein bisschen wie das Mädchen aus einer Familie, die zu vierhundert Pfund gekommen war. «Sicher kommt er mit der nächsten Kutsche», sagte ich laut, um mich zu trösten. «Und wenn er dann aussteigt, hab ich ihn ganz für mich allein.»
    Wenn die Philpots mich zu einem Besuch einluden, bin ich normalerweise immer hingegangen. Ich mochte den Morley Cottage, denn in ihm war es warm und sauber, und es roch gut nach Bessys Backwaren, auch wenn sie selbst mir gegenüber recht mürrisch war. Der Ausblick auf das Golden Cap und die Küste ließ mir immer das Herz höher schlagen, und dann gab es noch die Fische von Miss Elizabeth zu bestaunen. Miss Margaret spielte Klavier, um uns zu unterhalten, und Miss Louise gab mir immer Blumen mit. Doch am schönsten war, wenn Miss Elizabeth und ich über Fossilien redeten oder zusammen Bücher und Zeitschriften darüber anschauten.
    Jetzt aber wollte ich Miss Elizabeth nicht sehen. Fast mein ganzes Leben lang hatte sie sich um mich gekümmert, und sie war meine Freundin geworden, obwohl andere nichts von mir wissen wollten. Doch als sie in Charmouth aus der Kutsche stieg, schien eher Ablehnung von ihr auszugehen als Freude, mich wiederzusehen. Aber vielleicht hatte das gar nichts mit mir zu tun, vielleicht schämte sie sich für sich selbst. Und das zu recht, denn sie hatte Colonel Birch völlig falsch eingeschätzt, was ihr jetzt sicher Leid tat,

Weitere Kostenlose Bücher