Zwei bemerkenswerte Frauen
London in Charmouth eintraf, bin ich nicht hingegangen. Es war ein milder Nachmittag, in den Straßen waren viele Feriengäste unterwegs, und ich stand hinter dem Tisch vor unserem Haus und verkaufte Kuris.
Ich bin nicht abergläubisch, aber ich war mir sicher, dass er an diesem Tag kommen würde, denn es war mein Geburtstag, auch wenn er das nicht wusste. In meinen ganzen Leben hatte ich noch nie ein Geburtstagsgeschenk bekommen, ich fand, dass mir jetzt eins zustand. Mam meinte zwar, das Geld von seiner Auktion wär das Geschenk, aber für mich war er es.
Als die Uhr im Glockenturm vom Markt fünf schlug, hab ich angefangen, jeden Schritt von Colonel Birch in Gedanken mitzugehen. Ich sah ihn aus der Kutsche steigen und im Stall ein Pferd mieten, dann ritt er die Straße entlang, bis er oberhalb vom Black Ven den Weg zur Charmouth Lane über eins von Lord Henleys Feldern abkürzte. Weiter ging es zur Church Street, dann an Sankt Michael vorbei in den Buttermarkt. Dort musste er nur noch um die Ecke biegen, und er war am Cockmoile Square.
Als ich aufblickte, war er da. Genau wie ich es erwartet hatte, kam er auf seinem Mietpferd, einem Fuchs, an den Tisch geritten und schaute auf mich hinab. «Mary.»
«Colonel Birch.» Ich machte einen tiefen Knicks, wie wenn ich eine Dame wär.
Colonel Birch stieg ab und griff nach meiner Hand. Und dann hat er sie geküsst, einfach geküsst, vor allen Feriengästen, die durch die Kuris wühlten, und den Leuten aus Lyme, die auf der Straße unterwegs waren. Es war mir egal. Als er mir, immer noch über meine Hand gebeugt, in die Augen sah, entdeckte ich darin trotz aller Freude auch Ungewissheit. Da wusste ich, dass Miss Elizabeth mich nicht angelogen hatte. Das mit der Witwe stimmte. Ich hätte es so gerne nicht geglaubt, aber Miss Elizabeth war keine Lügnerin. So sanft wie möglich zog ich meine Hand aus Colonel Birchs Griff. Da wurde aus dem Schatten der Ungewissheit eine Schmerzensflamme. Wir standen da und sahen uns einfach nur schweigend an.
Hinter Colonel Birchs Schulter nahm ich eine Bewegung wahr, die mich von seinen traurigen Augen ablenkte. Ein Paar kam Arm in Arm über die Bridge Street gelaufen. Er war kräftig gebaut und stark, und sie schaukelte an seiner Seite auf und ab wie ein Boot auf rauer See. Es war Fanny Miller, die vor kurzem Billy Day geheiratet hatte, einen der Steinbrucharbeiter, die mir geholfen hatten, die Riesenbestie auszugraben. Jetzt waren also sogar die Steinbrucharbeiter vergeben. Fanny starrte mich an. Als sich unsere Blicke begegneten, umklammerte sie den Arm ihres Mannes noch fester und eilte so schnell davon, wie ihr lahmes Bein es erlaubte.
Da war mir die vornehme Witwe egal. Ich wusste, was ich von Colonel Birch wollte. Ich hab es mir selbst zum Geburtstag geschenkt. Wahrscheinlich würde ich nie wieder eine Gelegenheit dazu bekommen. Ich nickte ihm zu. «Gehen Sie zu Mam rein, Sir. Sie erwartet Sie schon. Wir sehen uns später.»
Ich wollte nicht dabei sein, wenn er ihr das Geld gab. So dankbar ich dafür war, ich wollte es nicht sehen. Ich wollte nur ihn sehen. Als er sein Pferd festgemacht hatte und im Haus verschwand, hab ich die Kuris weggepackt und bin dann in den Buttermarkt eingebogen. Ich bin seinen Weg in umgekehrter Reihenfolge zurückgegangen. Sicher logierte er wie immer im Queen’s Arms in Charmouth, deshalb kannte ich seinen Weg. Als ich jenseits der Charmouth Road an das Feld von Lord Henley kam, bin ich noch bis zu einem Holzstapel weiter gegangen. Dort hab ich mich hingesetzt und gewartet.
Als er angeritten kam, hielt Colonel Birch seinen Rücken so gerade wie ein Zinnsoldat. Hinter ihm stand die Sonne schon tief, so dass er einen langen Schatten warf. Sein Gesicht konnte ich erst sehen, als er sein Pferd neben mir anhielt. Ich bin auf den Holzstapel hochgeklettert. Als ich dort oben balancierte, hat er meine Hand genommen, damit ich nicht runterfalle.
«Mary, ich kann dich nicht heiraten», sagte er.
«Ich weiß, Sir. Das macht nichts.»
«Bist du dir sicher?»
«Ja. Heute ist mein Geburtstag. Ich bin jetzt einundzwanzig Jahre alt, und ich weiß, dass ich dies will.»
Ich konnte nicht reiten, aber an diesem Tag hatte ich keine Angst. Ich lehnte mich zu ihm hinüber und ließ mich in seine Arme fallen.
Er nahm mich mit, weg vom Meer. Colonel Birch kannte die Umgebung besser als ich, denn weil ich mein ganzes Leben am Strand verbracht habe, bin ich nie über die Felder gelaufen. Wir ritten durch die Schatten
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