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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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auch wenn sie es nicht zugab. Egal, ich konnte es mir leisten, großzügig zu sein und ihre schlechte Laune nicht weiter zu beachten, denn ich liebte einen Mann, der mich aus meiner Armut befreien und mich glücklich machen würde. Und sie hatte keinen. Aber ich wollte auch nicht zu ihr hin und mir mein Glück vergällen lassen.
    Ich erfand Gründe, weshalb ich nicht in die Silver Street hinaufkonnte: Um die Monate wettzumachen, in denen ich nichts getan hatte, musste ich Kuris suchen. Oder ich bestand darauf, das Haus zu putzen, um für den Besuch von Colonel Birch vorbereitet zu sein. Oder ich lief in die Pinhay Bay hinaus, um einen Pentacrinus für ihn zu suchen, weil er seine doch alle verkauft hatte. Außerdem ging ich zu jeder Kutsche, die aus London eintraf, obwohl bereits drei gekommen und wieder weitergefahren waren, ohne dass er ausgestiegen war.
    Als ich von der dritten Kutsche wieder nach Hause lief und vom Klippenpfad in den Kirchhof von Sankt Michael bog, kam mir Miss Elizabeth aus der anderen Richtung entgegen. Wir zuckten beide erschrocken zusammen. Anscheinend wünschte sich jede von uns, die andere früher erblickt zu haben, um ihr aus dem Weg zu gehen. Doch jetzt blieb uns nichts anderes übrig, als stehenzubleiben und uns zu grüßen.
    Miss Elizabeth fragte, ob ich am Strand gewesen sei, und ich musste zugeben, dass ich nach Charmouth gelaufen war, ohne unterwegs zu suchen. Sie wusste, dass es der Tag war, an dem die Kutsche kam, und überlegte nun, was ich dort wollte – ich sah es ihrem Gesicht an, obwohl sie ihr Missfallen zu verbergen suchte. Sie wechselte das Thema, und wir unterhielten uns ein wenig über Lyme und was alles während ihrer Abwesenheit passiert war. Doch es war ein steifes Gespräch, ganz anders als früher, und bald wurden wir still. Ich fühlte mich, als hätte ich zu lange auf einem Bein gestanden, das jetzt eingeschlafen und steif war, so dass ich irgendwie komisch dastand. Auch Miss Elizabeth hielt ihren Kopf merkwürdig geneigt, als hätte ihr Nacken von der langen Kutschfahrt aus London einen Knick bekommen.
    Ich wollte mich schon entschuldigen und weiter zum Cockmoile Square laufen, als sich Miss Elizabeth zu einer Entscheidung durchzuringen schien. Wenn sie etwas Wichtiges zu sagen hat, reckt sie immer das Kinn vor und spannt den Kiefer an. «Ich will dir erzählen, was in London passiert ist, Mary. Aber du darfst niemandem weitersagen, dass ich es dir erzählt habe. Weder deiner Mutter noch deinem Bruder, und schon gar nicht meinen Schwestern, denn sie wissen nicht, was ich gemacht und gesehen habe.» Dann hat sie mir alles von der Auktion erzählt. Bis in die Einzelheiten hat sie mir beschrieben, was verkauft wurde, wer da war und wer was gekauft hat, und dass sogar der Franzose Cuvier ein Fossil für Paris wollte. Sie erwähnte auch die Ankündigung von Colonel Birch zum Ende der Auktion, in der er mich als Finderin genannt hatte. Während sie redete, hatte ich das Gefühl, als würde ich einem Vortrag über eine andere Person zuhören, einer Mary Anning aus einer fremden Stadt oder einem fremden Land auf der anderen Seite der Erde, die etwas anderes sammelte als Fossilien. Schmetterlinge vielleicht, oder alte Münzen.
    «Hörst du überhaupt zu, Mary?», fragte Miss Elizabeth mich mit strengem Blick.
    «Ja, Ma’am. Aber ich weiß nicht, ob ich richtig höre.»
    Miss Elizabeth sah mich aus zusammengekniffenen grauen Augen ernst an. «Colonel Birch hat dich in der Öffentlichkeit erwähnt, Mary. Er hat den interessiertesten Fossiliensammlern im Land empfohlen, dich aufzusuchen. Sie werden herkommen und dich bitten, mit ihnen an den Strand zu gehen, wie du es mit Colonel Birch gemacht hast. Du musst dich darauf einstellen und darauf achten, dass du … dass du deinem Ruf nicht weiter schadest.» Für diesen letzten Satz hatte sie die Lippen so sehr gespitzt, dass es schon ein Wunder war, dass überhaupt noch Worte aus ihrem Mund kamen.
    Ich fingerte an einer Flechte auf dem Grabstein neben mir herum. «Ich mache mir keine Sorgen um meinen Ruf, Ma’am. Mir ist auch egal, was andere von mir denken. Ich liebe Colonel Birch und warte darauf, dass er zurückkommt.»
    «Ach, Mary.» Mehrere Gefühle gleichzeitig huschten über Miss Elizabeths Gesicht. Es kam mir vor, als würden wir Karten spielen und sie mir eine nach der anderen hinlegen. Bei den Gefühlen überwogen Wut und Trauer, und zusammen ergaben die beiden Eifersucht. Genau, jetzt begriff ich es richtig,

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