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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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trotzdem zu einem neuen Denkansatz über die Geschichte der Welt bei. Wir hatten plötzlich eine Kreatur vor uns, die es nicht mehr zu geben schien – weil die ganze Art ausgestorben war. Dieses Phänomen brachte die Menschen auf den Gedanken, dass die Welt sich vielleicht verändern kann, wenn auch sehr langsam, und nicht so ewig und unveränderlich ist, wie bislang immer angenommen wurde.
    Gleichzeitig haben die Geologen verschiedene Gesteinsschichten erforscht und sich Gedanken darüber gemacht, wie die Welt geformt wurde und wie alt sie wohl sein könnte. Schon seit einiger Zeit fragt man sich, ob die Welt nicht älter ist als die von Bischof Ussher ausgerechneten 6000 Jahre. Ein gelehrter Schotte namens James Hutton hat sogar behauptet, die Welt sei so alt, dass sie ‹weder einen Anfang noch ein Ende› habe und es uns unmöglich sei, ihr Alter zu berechnen.» Ich hielt kurz inne. «Vielleicht wäre es besser, wenn du das, was ich dir gerade erzähle, deiner Mutter gegenüber nicht erwähnst. Sie mag es nicht, wenn ich über solche Dinge rede.»
    «Nein, ich sage nichts. Mach weiter.»
    «Hutton dachte, die Welt sei durch vulkanische Aktivität geformt worden, andere wiederum sehen im Wasser die formende Kraft. In letzter Zeit haben einige Geologen Elemente beider Theorien genommen und daraus abgeleitet, dass eine Serie von Katastrophen die Welt geformt habe und Noahs Sintflut die letzte gewesen sei.»
    «Und was hat das alles mit dem Plesiosaurier zu tun?»
    «Er ist ein konkreter Beweis dafür, dass der Ichthyosaurier und sein Aussterben kein Einzelfall war, sondern dass es noch andere, vielleicht sogar viele Kreaturen gab, die heute nicht mehr existieren. Das wiederum spricht für das Argument, dass die Welt sich ständig verändert.» Ich sah meinen Neffen an. Johnny blickte ernst und nachdenklich ins leichte Schneegeriesel hinaus. «Bitte entschuldige, ich wollte dich damit nicht beunruhigen.»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein, ich finde das faszinierend. Ich frage mich nur, warum keiner meiner Lehrer jemals im Unterricht darüber spricht.»
    «Viele finden es einfach zu erschreckend, weil es unseren Glauben an einen allwissenden und allmächtigen Gott in Frage stellt und wir uns Gedanken über seine Rolle und sein Wollen machen müssen.»
    «Und was glaubst du , Tante Elizabeth?»
    «Ich glaube …» Nur selten hatte mich jemand nach meiner Meinung gefragt. Es war ein schönes Gefühl. «Ich komme gut damit zurecht, wenn ich das, was in der Bibel steht, eher im übertragenen Sinne nehme und nicht wörtlich. So glaube ich zum Beispiel, dass es sich bei den sechs Tagen der Schöpfung in der Genesis nicht um wörtliche Tage handelt, sondern um verschiedene Perioden der Schöpfung, die sich über viele Tausende – oder sogar Hunderttausende – von Jahren erstreckt haben könnten. Das macht Gott nicht kleiner; es gibt ihm nur mehr Zeit, in der er seine außergewöhnliche Welt geschaffen hat.»
    «Und was ist mit dem Ichthyosaurier und dem Plesiosaurier?»
    «Bei ihnen handelt es sich um Lebewesen aus sehr alter Zeit. Sie erinnern uns daran, dass die Erde sich verändert. Und das tut sie gewiss. Ich kann es mit eigenen Augen sehen, wenn die Erdrutsche in Lyme die ganze Küstenlinie verwandeln. Die Erde verändert sich auch, wenn es Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Fluten gibt. Warum sollte sie das auch nicht?»
    Johnny nickte. Es war eine Freude, ein offenes Ohr für solche Gespräche zu finden, ohne gleich als unwissend oder gotteslästerlich beschuldigt zu werden. Vielleicht war Johnny so unvoreingenommen, weil er noch jung war.
    «Schau mal.» Er deutete auf die Fenster im Haus der Geologischen Gesellschaft. Die Umrisse von Personen tauchten im Licht auf, als sich die Männer von den Tischen erhoben. Jetzt war für mich die Zeit gekommen, mit den Augen zu führen. Ich atmete tief durch und öffnete die Droschkentür. Johnny sprang nach draußen und half mir heraus. Er war aufgeregt, weil es nun endlich losging. Kühn schritt er zur Tür und klopfte an. Sie wurde von demselben Mann geöffnet wie beim ersten Mal, doch Johnny behandelte ihn, als habe er noch nie mit ihm gesprochen. «Miss Philpot ist hier und möchte Professor Buckland sprechen», verkündete er. Vielleicht glaubte er, so viel Selbstvertrauen würde ihm alle Türen öffnen.
    Doch der Portier ließ sich von seiner jugendlichen Zuversicht nicht beeindrucken. «Frauen sind in der Gesellschaft nicht zugelassen», erwiderte er, wobei er mich nicht

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