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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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sogar drei, wenn man Johnny mitzählte. Außerdem waren diese beiden Herren viel gebildeter und souveräner. Gegen einen Angestellten und einen Portier mochte ich mich bis zu einem gewissen Grad behaupten können, aber nicht gegen zwei Männer aus meiner eigenen Gesellschaftsschicht.
    Statt mich auf Mr Buckland zu konzentrieren, der als zukünftiger Präsident der Gesellschaft der wichtigere von beiden war, blickte ich dummerweise meinen Neffen an, als ich sagte: «Ich wollte mit Ihnen über Miss Anning sprechen.»
    «Ist Mary etwas zugestoßen?», fragte William Buckland.
    «Nein, nein, es geht ihr gut.»
    Reverend Conybeare blickte jetzt finster drein, und selbst Mr Buckland, der nicht zu Übellaunigkeit neigte, hatte die Stirn in Falten gelegt. «Miss Philpot», hob Reverend Conybeare an. «Wir wollen gleich unsere Tagung eröffnen, in der Mr Buckland und ich wichtige, ja sogar historisch bahnbrechende Reden vor der Gesellschaft halten werden. Da wir uns heute auf wichtigere Dinge konzentrieren müssen, hat Ihr Anliegen bezüglich Miss Anning sicher Zeit bis zu einem anderen Tag. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich will meine Notizen noch einmal durchgehen.» Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und stieg die mit Teppichen ausgelegte Treppe hinauf.
    Mr Buckland schien dasselbe vorzuhaben, nur dass er langsamer und freundlicher war und sich noch einen Moment Zeit nahm. «Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns zu einem anderen Zeitpunkt unterhalten könnten, Miss Philpot. Vielleicht könnte ich nächste Woche bei Ihnen vorbeikommen?»
    «Aber Sir», mischte sich jetzt Johnny ein. «Monsieur Cuvier hält den Plesiosaurier für eine Fälschung!»
    Da blieb Reverend Conybeare auf der Treppe stehen. Er drehte sich zu uns um. «Was hast du gesagt?»
    Johnny, der kluge Junge, hatte genau das Richtige gesagt. Für Mary interessierten sich die beiden Männer natürlich nicht. Aber Cuviers Meinung über den Plesiosaurier ging sie etwas an.
    «Baron Cuvier ist der Meinung, dass der von Mary gefundene Plesiosaurier nicht echt sein kann», erklärte ich, als Reverend Conybeare die Treppe wieder hinabkam und mit grimmigem Blick zu uns trat. «Der Hals hat zu viele Wirbel, was seiner Meinung nach den grundlegenden Gesetzen zur Anatomie der Wirbeltiere widerspricht.»
    Reverend Conybeare und Mr Buckland tauschten Blicke aus.
    «Cuvier glaubt, die Annings hätten ein falsches Tier geschaffen, indem sie den Schädel einer Seeschlange auf den Rumpf eines Ichthyosauriers setzten. Er wirft ihnen Betrug vor.» Damit hatte ich endlich zur Sprache gebracht, was mir am wichtigsten war.
    Als ich sah, mit welchem Gesichtsausdruck die beiden Männer auf meine Worte reagierten, wünschte ich mir auf der Stelle, ich hätte dies nicht erwähnt. Bei beiden wich die erste Überraschung einem gewissen Grad an Misstrauen, das bei Reverend Conybeare wesentlich stärker ausgeprägt war, aber auch in Mr Bucklands gutmütigen Zügen aufblitzte.
    «Sie wissen natürlich, dass Mary so etwas nie tun würde», erinnerte ich sie. «Sie ist ein ehrlicher Mensch und hat gelernt, wie wichtig es ist, Fossilien so zu präparieren, wie man sie gefunden hat. Ich darf hinzufügen, meine Herren, dass Sie selbst so gütig waren, ihr diese Lektion zu erteilen. Mary weiß, dass Fossilien zu nichts nütze sind, wenn man sie manipuliert.»
    «Natürlich», stimmte Mr Buckland mir zu. Sein Gesicht erhellte sich, als habe es dazu nur eines vernünftigen Stichwortes bedurft.
    Doch Reverend Conybeare schaute noch immer finster. Offenbar hatte ich an alten Zweifeln gerührt. «Wer hat Cuvier von dem Fund erzählt?», fragte er.
    Ich zögerte, doch es gab keine Möglichkeit, die Wahrheit zu verschweigen. «Mary selbst hat ihm geschrieben. Ich glaube, sie hat auch eine Zeichnung mitgeschickt.»
    « Mary hat geschrieben?», schnaubte Reverend Conybeare. «Mir graut, wenn ich mir so einen Brief vorstelle. Das Mädchen ist doch mehr oder weniger eine Analphabetin. Es wäre wesentlich besser gewesen, wenn Cuvier nach dem Vortrag heute Abend von dem Plesiosaurier erfahren hätte. Buckland, wir müssen ihm unser Anliegen persönlich vortragen, mit Zeichnungen und einer genauen Beschreibung. Wir sollten ihm beide schreiben, und vielleicht auch noch jemand anders, damit Cuvier von verschiedenen Seiten über den Fall hört. Vielleicht noch Johnson in Bristol. Er hat sehr begeistert reagiert, als ich Anfang des Monats in seinem Institut den Plesiosaurier

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