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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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vom Cockmoile Square und seiner Familie weggeführt. Vermutlich hatte Ma den Verdacht, dass er lieber allein draußen am Strand war als in einem Haus voller greinender Kinder. Von denen hatte sie mehr als genug, denn außer Joe und mir sind alle Geschwister Schreikinder gewesen. Mam ist nur zum Strand gegangen, wenn sie Pa Vorwürfe machen wollte, weil er sogar sonntags beim Suchen war, statt in die Kirche zu gehen. Sie schämte sich dann für ihn. Obwohl sie ihn nicht aufhalten konnte, hat er immerhin versprochen, Joe und mich sonntags nicht mehr mitzunehmen.
    Außer uns gab es nur noch einen anderen Menschen, der Kuris verkaufte, das war ein alter Stallbursche namens William Lock, der im Queen’s Arms in Charmouth arbeitete, wo die Kutschen zwischen London und Exeter ihre Pferde wechselten. William Lock hatte herausgefunden, dass er den Reisenden Fossilien verkaufen konnte, während sie sich die Beine vertraten und sich draußen ein wenig umschauten. Weil Fossilien als Kuriositäten galten, was wir zu «Kuris» abkürzten, hatte William Lock bald den Namen Captain Kurio weg. Obwohl er schon seit vielen Jahren Fossilien sammelte und verkaufte, länger sogar noch als Pa, hatte er nie einen Hammer dabei, sondern hob einfach nur auf, was sich ohne weiteres mitnehmen ließ. Manchmal grub er auch Steine mit dem Spaten aus, den er immer bei sich trug. Er war ein gemeiner alter Mann, der mich immer irgendwie komisch anschaute. Ich hielt mich von ihm fern.
    Auch wenn uns Captain Kurio hin und wieder über den Weg lief, waren wir, bis Miss Elizabeth nach Lyme kam, die einzigen Fossiliensucher am Strand. Meistens bin ich mit Joe oder Pa gegangen, aber manchmal bin ich auch mit Fanny Miller zum Strand runter. Sie war genauso alt wie ich und lebte ein Stück weiter flussaufwärts hinter der Tuchfabrik von Lyme. Wir nannten diesen Stadtteil Jericho. Ihr Vater war Holzfäller, von ihm kaufte Pa sein Holz, und ihre Mam hat in der Fabrik gearbeitet. Die Millers waren wie wir Kongregationalisten, unser Gotteshaus stand in der Coombe Street. In Lyme lebten sehr viele Dissenter, aber es gab natürlich auch eine richtige Staatskirche, Sankt Michael, die uns dauernd zurückgewinnen wollte. Doch wir Annings sind da nicht hingegangen, wir waren stolz darauf, anders zu denken als die traditionelle Kirche von England, auch wenn ich selbst die Unterschiede zwischen beiden nicht kannte.
    Fanny war ein hübsches Mädchen; sie war klein, zierlich und blond, aber am meisten beneidete ich sie um ihre blauen Augen. Wenn es uns sonntags während der Messe zu langweilig wurde, vertrieben wir uns die Zeit immer mit Fingerspielen. Manchmal rannten wir am Fluss entlang den Booten hinterher, die wir aus Stöcken und Laubblättern gebastelt hatten, oder gingen Brunnenkresse pflücken. Obwohl Fanny lieber am Fluss spielte, ist sie manchmal auch mit mir an den Strand zwischen Lyme und Charmouth gekommen, aber bis zum Black Ven hat sie sich niemals hinausgewagt. Sie fand, dass die Steilwand dort böse aussah und ihr womöglich Steine auf den Kopf fallen würden. Am Strand haben wir Dörfer aus Kieselsteinen gebaut oder die winzigen Bohrmuschellöcher in den Felskanten aufgefüllt. Gleichzeitig hielt ich natürlich immer Ausschau nach Kuris, ich war nie draußen, um einfach nur zu spielen.
    Fanny hatte den Blick, wollte ihn aber auf keinen Fall benutzen. Sie liebte schöne Dinge wie milchige Quarzklumpen, gestreifte Kiesel oder kleine Knubbel von Katzengold, die sie ihre Edelsteine nannte. Solche Sachen fand sie dauernd, aber einen guten Ammo oder Beli hat sie nicht angerührt, obwohl sie genau wusste, dass ich danach suchte. Fanny hatte vor ihnen Angst. «Ich mag sie nicht», hat sie mal mit einem Schaudern gesagt, konnte mir aber nicht erklären, warum. «Sie sind hässlich», mehr fiel ihr nicht ein. Wenn ich weiter nachbohrte, kam höchstens noch: «Mam sagt, sie kommen von den Feen.» Ein Seeigel war für sie ein Feenbrot, und wenn man so einen Seeigel ins Regal neben die Milch legte, wurde sie nicht sauer. Ich erzählte ihr, was Pa mir beigebracht hatte: Ammos wären Schlangen, die ihre Köpfe verloren hatten, Belis wären Donnerkeile, die Gott selbst auf die Erde geworfen hatte, und Gryphies die Zehennägel des Teufels persönlich. Da bekam sie gleich noch mehr Angst. Ich wusste aber, dass es nur Geschichten waren. Wenn der Teufel wirklich so viele Zehennägel verlor, hätte er ja tausend Füße haben müssen. Und wenn der Blitz so viele Belis

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