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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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wurden, so dass sie selbst zu Stein geworden sind. Das weiß fast jeder gebildete Mensch.»
    «Aber diese Skelette – stammen sie von Lebewesen, die es noch immer gibt?»
    Reverend Jones eilte zum Altar, von dem er ein paar Kerzen und das Altartuch nahm. Ich kam mir ziemlich töricht vor, wie ich ihm auf Schritt und Tritt durch die Kirche folgte.
    «Natürlich gibt es sie noch», sagte er. «So wie alle Lebewesen, die Gott geschaffen hat.» Er öffnete eine Tür links vom Altar; dahinter befand sich eine kleine Kammer, in der diverse Kirchenutensilien aufbewahrt wurden. Über seine Schulter hinweg erspähte ich auf einem Tisch einen Krug mit der Aufschrift «Weihwasser». Ich blieb im Türrahmen stehen, während Reverend Jones die Kerzen in einem Schrank einschloss. «Ich befürchte, ich verstehe Ihre Frage nicht, Miss Philpot.»
    Ich öffnete meine Handtasche und schüttete ein paar kleine Fossilienteile in meine Hand, die irgendwie in die Tasche gelangt waren. In fast allen meinen Taschen und Handtaschen fanden sich Fossilien. Der Mund von Reverend Jones verzog sich angeekelt, als er auf meine Hand blickte, in der Ammoniten, Belemnitenspindeln, ein fossiliertes Holzstück und der Teil eines Crinoiden lagen. Seiner Reaktion nach hätte ich auch Pferdemist an den Schuhen in die Kirche getragen haben können. «Wozu in Gottes Namen tragen Sie dieses Zeug mit sich herum?»
    Ich ignorierte seine Frage und hielt ihm einen Ammoniten hin. «Ich möchte wissen, wo sich die lebenden Vertreter dieser Art befinden, Reverend Jones, denn ich habe noch nie einen gesehen.» Während wir auf das Fossil blickten, hatte ich einen Moment lang das Gefühl, dass es mich in diese Spirale hineinzog, in der ich immer weiter in der Zeit zurückreiste, bis ich in der Vergangenheit ankam, die sich in ihrem Zentrum verbarg.
    Die Reaktion von Reverend Jones auf den Ammoniten war prosaischer. «Vielleicht haben Sie noch nie ein Tier dieser Art gesehen, weil sie draußen im Meer leben und die Körper nur nach ihrem Tod angespült werden.» Er wandte sich von mir ab, zog die Tür zu und sperrte sie mit einer schwungvollen Schlüsseldrehung ab, eine Geste, die ihm Spaß zu machen schien.
    Ich trat ihm in den Weg, damit er nicht zum Essen davonlief, so dass er nun weder vor noch zurück konnte. Dass er mir und meinen seltsamen Fragen ausgeliefert war, schien Reverend Jones noch mehr zu beunruhigen als der Ammonit, den ich ihm unter die Nase gehalten hatte. Er blickte sich hektisch um. «Fanny, bist du schon fertig?», rief er, doch es kam keine Antwort. Wahrscheinlich war Fanny nach draußen gegangen, um den aufgekehrten Dreck wegzubringen.
    «Haben Sie von dem Krokodilschädel gehört, den die Annings in der Klippe gefunden haben? Sie stellen ihn im Ballsaal aus.»
    Reverend Jones zwang sich, mich anzusehen, doch obwohl er mir in die Augen schaute, schienen seine kleinen Äuglein den Horizont zu suchen. «Ja, ich habe davon gehört.»
    «Haben Sie ihn gesehen?»
    «Ich verspüre nicht den Wunsch, ihn zu sehen.»
    Das überraschte mich nicht. Reverend Jones interessierte sich nur für das, was demnächst auf seinem Teller liegen würde. «Der Fund sieht anders aus als jede lebende Kreatur», sagte ich.
    «Miss Philpot …»
    «Jemand – es war sogar ein Mitglied unserer Kirchengemeinde – hat vermutet, es könnte sich um ein Tier handeln, das Gott nicht wollte und deshalb durch eine bessere Schöpfung ersetzte.»
    Reverend Jones war fassungslos. «Wer hat das gesagt?»
    «Das spielt keine Rolle. Ich frage mich nur, ob an dieser Theorie etwas Wahres ist.»
    Reverend Jones rieb sich über die Ärmel seines Talars und verzog die Lippen. «Miss Philpot, Sie überraschen mich. Ich dachte, Sie und Ihre Schwestern seien bibelfest.»
    «Das sind wir …»
    «Dann will ich Ihnen sagen, dass Sie in der Heiligen Schrift Antworten auf Ihre Fragen finden. Kommen Sie mit.» Er führte mich zur Kanzel zurück, auf der die Bibel lag, aus der er gelesen hatte.
    Während er durch die Seiten blätterte, kam das Mädchen wieder herein. «Reverend Jones, Sir, ich bin mit Fegen fertig.»
    «Danke, Fanny.» Reverend Jones schaute sie einen Moment lang an. «Es gibt noch etwas, das du für mich tun kannst, mein Kind», sagte er dann. «Komm hierher, zur Bibel. Ich möchte, dass du Miss Philpot etwas vorliest. Du bekommt auch noch einen Penny dafür.» Er wandte sich an mich. «Fanny Miller und ihre Familie sind erst vor ein paar Jahren von den Kongregationalisten zur

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