Zwei bemerkenswerte Frauen
sicher hören, oder?»
«Natürlich.» Molly Anning würdigte den Schädel kaum eines Blickes. «Was zahlen Sie denn?»
«Drei Pfund.»
«Das …», hob ich an.
«Ich glaube, es gibt genügend Gentlemen, die bereit sind, mehr zu zahlen», schnitt mir Molly Anning das Wort ab. «Aber wenn Sie wollen, nehmen wir das Geld als Anzahlung auf die ganze Kreatur. Den anderen Teil wird Mary noch finden.»
«Und wenn sie ihn nicht findet?»
«Keine Sorge, sie wird ihn finden. Meine Mary findet alles. Sie ist was Besonderes – das war sie schon immer, seit der Blitz in sie gefahren ist. War das nicht auf Ihrem Feld, Lord Henley, wo sie vom Blitz getroffen wurde?»
Mich verblüfften gleich mehrere Dinge: dass Molly Anning so selbstbewusst zu einem Landadeligen sprach; dass sie so schlau war, erst Lord Henley seinen Preis nennen zu lassen, was ihn aus dem Konzept brachte und ihr ein Gefühl für den Wert eines Objektes gab, das sie selbst nicht einschätzen konnte; und dass sie den Blitzschlag gerissen als etwas darstellte, für das er die Verantwortung trug. Ich hatte schon gehört, dass die Leute Molly Anning als ein Original bezeichneten, jetzt verstand ich, was sie damit meinten.
Lord Henley hatte es fast die Sprache verschlagen. Ich sprang ihm bei. «Natürlich werden die Annings Ihnen den Kopf für drei Pfund überlassen, falls der Körper in, sagen wir, zwei Jahren nicht gefunden wird.»
Lord Henley blickte von Molly Anning zu mir. «Einverstanden», erwiderte er schließlich und legte die Hand noch einmal auf seine Beute.
Seit ich den Schädel gesehen hatte, konnte ich kaum noch schlafen. Ich träumte von all den Tieraugen, in die ich schon einmal hineingeschaut hatte: Pferdeaugen, Katzenaugen, Möwenaugen und Hundeaugen. Im Traum waren diese Augen stumpf und leer, weil ihnen der göttliche Funke fehlte, und dieses Fehlen ließ mich aus dem Schlaf hochschrecken.
Am Sonntag blieb ich nach dem Gottesdienst noch in Sankt Michael. «Ich komme gleich nach», winkte ich Bessy und meinen Schwestern zu und wartete im hinteren Teil der Kirche, bis der Pfarrer sich von allen Gemeindemitgliedern verabschiedet hatte. Reverend Jones war ein unscheinbarer Mann mit kastenförmigem Kopf und kurzgeschnittenem Haar. Das Einzige an ihm, das sich bewegte, waren die dünnen, ständig zitternden und seltsam grimassierenden Lippen. Bis auf den Austausch von Höflichkeiten hatte ich bisher kaum ein Wort mit ihm gewechselt, denn schon im Gottesdienst war er mit seiner lustlos näselnden Stimme und den langweiligen Predigten wenig inspirierend. Aber er war ein Mann Gottes, deshalb wandte ich mich auf meiner Suche nach Rat hoffnungsvoll an ihn.
Endlich war außer uns nur noch ein Mädchen in der Kirche, das den Boden fegte. Reverend Jones ging durch die Bankreihen, hob Liedzettel auf und hielt nach liegen gebliebenen Handschuhen und Gebetbüchern Ausschau. Entweder sah er mich nicht, oder, wie es mir vorkam, er wollte mich nicht sehen. Für diesen Tag hatte er seine seelsorgerischen Pflichten erfüllt. Wahrscheinlich war er in Gedanken längst beim Mittagessen, das ihm bald serviert werden würde, und beim anschließenden Nickerchen am Kamin. Als ich mich räusperte, blickte er auf, und sein Mund verzog sich unwillkürlich zu einer kurzen Grimasse. «Miss Philpot, gehört Ihnen dieses Taschentuch?» In der Hoffnung, mich so leicht loszuwerden, hielt er ein weißes Stoffknäuel hoch.
«Nein, leider nicht, Reverend Jones.»
«Ach. Suchen Sie dann etwas anderes? Ein Portemonnaie? Einen Knopf? Eine Haarnadel?»
«Nein. Ich möchte gerne mit Ihnen sprechen.»
«Ich verstehe.» Reverend Jones schürzte die Lippen. «Mein Essen ist gleich fertig, und ich muss hier noch nach dem Rechten sehen. Sie haben doch nichts dagegen …?» Er lief weiter durch die Kirchenbänke und rückte Kissen zurecht. Ich folgte ihm. Die ganze Zeit begleitete uns das Besengekratze des fegenden Mädchens.
«Ich wollte Sie fragen, was Sie von Fossilien halten.» Beim Versuch, seine Aufmerksamkeit zu wecken, war meine Stimme in der leeren Kirche lauter geworden, als ich beabsichtigt hatte. Das Fegen hörte auf, doch Reverend Jones lief weiter durch das Kirchenschiff auf die Eichenkanzel zu, von der er sein eigenes Taschentuch holte und es einsteckte.
«Was ich von Fossilien halte, Miss Philpot? Ich mache mir keine Gedanken über Fossilien.»
«Aber Sie wissen doch, was Fossilien sind?»
«Skelette, die im Lauf der Zeit von Gesteinsschichten zusammengedrückt
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