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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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ungekämmt liegen lassen, weil mir das respektlos vorkam. Obwohl sie kalt und hart war wie ein Fisch, hatte ich plötzlich keine Angst mehr, sie zu berühren. Ich entwirrte ihr Haar und befreite es von den Algen, dann kämmte ich es. Als Nächstes rückte ich sie zurecht, zog ihr Kleid gerade und faltete ihr die Hände über der Brust, wie ich es bei anderen Verstorbenen gesehen hatte. Das Ritual begann mir sogar Spaß zu machen, so ein seltsames Mädchen war ich zu jener Zeit.
    Da erblickte ich eine dünne Kette an ihrem Hals und zog daran. Unter ihrem Kleid kam ein kleines rundes Goldmedaillon hervor, auf das in schön geschwungenen Buchstaben MJ eingraviert war. Das Medaillon war leer, falls ein Bild oder eine Haarlocke darin gewesen waren, hatte die See es weggespült. Ich wagte nicht, das Medaillon zur Verwahrung an mich zu nehmen, denn hätte es jemand bei mir entdeckt, wäre ich als Diebin beschuldigt worden. Deshalb steckte ich es der Lady wieder unters Kleid und hoffte, dass niemand sie in meiner Abwesenheit finden und das Medaillon stehlen würde.
    Als ich mit ihrem Aussehen zufrieden war, sprach ich ein weiteres kurzes Gebet, warf ihr eine Kusshand zu und rannte zurück nach Lyme, um zu erzählen, dass ich eine ertrunkene Lady gefunden hatte.
    Sie wurde in Sankt Michael aufgebahrt. In der Western Flying Post erschien eine Meldung, ob sie jemand identifizieren konnte. Ich ging sie jeden Tag besuchen, ich musste einfach. Ich brachte ihr Blumen, die ich am Straßenrand pflückte, Primeln und Märzenbecher, und stellte sie um sie herum auf. Ein paar Blüten riss ich ab und streute sie ihr übers Kleid. Es gefiel mir, in der stillen Kirche zu sitzen, auch wenn es nicht das Gotteshaus war, in das wir normalerweise gingen. Die Lady lag ganz friedlich in all ihrer Schönheit da. Manchmal musste ich ein wenig weinen, um sie und auch um mich.
    In den Tagen mit der Lady war ich wie von einer geheimnisvollen Krankheit befallen, dabei hatte ich weder Fieber noch fröstelte ich. Noch nie hatte ich so starke Gefühle für etwas gehabt, aber richtig verstehen konnte ich diese Gefühle nicht. Ich wusste nur, dass diese Lady ein tragisches Schicksal erlebt hatte, und bildete mir ein, dass auch ich vielleicht ein tragisches Schicksal haben würde. Sie war tot, und wenn ich sie nicht gefunden hätte, wäre sie womöglich zu einem Fossil mit versteinerten Knochen geworden wie all die anderen, nach denen ich am Strand suchte.
    Eines Tages kam ich in die Kirche und fand den Sarg der Lady zugenagelt vor. In letzter Zeit heulte ich wegen jeder Kleinigkeit los, und diesmal, weil ich ihr schönes Gesicht nicht mehr sehen konnte. Ich legte mich in eine Kirchenbank und weinte mich in den Schlaf. Wie lange ich dort gelegen habe, weiß ich nicht, doch als ich aufwachte, saß Elizabeth Philpot neben mir. «Mary, steh auf und geh nach Hause. Und komm nicht mehr hier her», sagte sie ganz ruhig. «Jetzt ist es genug.»
    «Aber …»
    «Erstens ist es ungesund.» Sie meinte damit den Geruch, der mich aber nie gestört hatte, weil es am Strand manchmal noch schlimmer stank. Oder in der Werkstatt, wenn ich Kalksteinplatten mit heimbrachte und die Bohrmuscheln in den Löchern nach ein paar Tagen ohne Wasser starben und verwesten.
    «Das ist mir egal.»
    «Du benimmst dich wie eine der sentimentalen Heldinnen aus Margarets Schauerromanen, aber das passt nicht zu dir. Außerdem ist die Frau identifiziert worden, ihre Familie wird sie abholen. Ein Schiff, das aus Indien kam, ist vor Portland untergegangen. Sie war zusammen mit ihren Kindern an Bord. Stell dir nur vor, sie sind den ganzen langen Weg von Indien gesegelt, um so kurz vorm Ziel umzukommen.»
    «Man weiß, wer sie ist? Wie heißt sie?»
    «Lady Jackson.»
    Erfreut klatschte ich in die Hände. Ich hatte also Recht gehabt, sie war wirklich eine Lady. «Wie lautet ihr Vorname? Das M auf dem Medaillon?»
    Miss Elizabeth zögerte, wahrscheinlich, weil sie wusste, dass ihre Antwort meinen Spleen fördern würde. Aber lügen konnte sie nicht. «Er lautet Mary.»
    Ich nickte und begann wieder zu weinen. Irgendwie hatte ich es gewusst.
    Miss Elizabeth seufzte tief auf, wie wenn sie nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken würde. «Sei nicht albern, Mary. Natürlich ist es eine traurige Geschichte, aber du kennst diese Frau nicht. Dass ihr denselben Namen habt, heißt nicht, dass es irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen euch gibt.»
    Ich schlug die Hände vors Gesicht und heulte weiter,

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