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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Philpot. Zwei Jahre später, als ich Kopf und Körper des Kroks vereint, gereinigt und an Lord Henley verkauft hatte, hörte ich, dass Mr Buckland auch auf Colway Manor gewesen war. Seitdem das Sammeln bei vornehmen Herren in Mode war, sah man ihn manchmal mit anderen Männern am Strand. Bislang hatte er mir jedoch nie viel Beachtung geschenkt, deshalb war ich umso erstaunter, als ich ihn jetzt rufen hörte: «Mary Anning! Genau dich habe ich gesucht!»
    Noch nie hatte jemand mit so viel Begeisterung in der Stimme meinen Namen gerufen. Verwirrt erhob ich mich und zog schnell am Saum meines Kleides, den ich mir, wenn es am Strand leer war, gern in der Taille feststeckte, damit er nicht durch den Dreck schleifte. Mr Buckland durfte meine knotigen Knöchel und schmutzigen Waden auf keinen Fall sehen.
    «Sir?» Ich deutete eine Art Knicks an, besonders anmutig war er allerdings nicht. In Lyme gab es außer Lord Henley kaum jemanden, vor dem ich knicksen musste, und seit ich wusste, dass er mit meinem Krok so viel Geld gemacht hatte, viel mehr, als er uns bezahlte, wollte ich für ihn auch nicht mehr das Knie beugen, obwohl mich Miss Philpot natürlich ständig zur Höflichkeit ermahnte.
    Mr Buckland stieg vom Pferd ab und stolperte durch den Kies auf mich zu. Die Stute schien es bereits gewohnt zu sein, dass er ständig anhielt, denn sie blieb brav auf der Stelle stehen und musste nicht angebunden werden. «Mir ist zu Ohren gekommen, dass du eine neue Riesenbestie gefunden hast, und ich bin extra von Oxford hergereist, um sie mir anzuschauen», sagte er. Sein Blick wanderte dabei interessiert über den Erdrutsch. «Ich habe sogar meine letzten Vorlesungen ausfallen lassen, um früh genug hier zu sein.» Während er redete, lief er die ganze Zeit suchend umher. Er hob einen Lehmklumpen auf, betrachtete ihn eingehend und ließ ihn wieder fallen, um sofort den nächsten in die Hand zu nehmen. Jedes Mal, wenn er sich bückte, konnte ich die kahle Stelle oben auf seinem Kopf sehen. Er hatte ein rundes Kindergesicht mit dicken Lippen und strahlenden Augen, leicht hängende Schultern und einen kleinen Bauch. Wenn ich ihn anblickte, wollte ich immer gleich loslachen, selbst wenn er gar keine Witze machte.
    Neugierig und erwartungsvoll schaute er mal nach hier und mal nach da, bis mir aufging, dass er das Krok noch immer am Strand vermutete. «Hier ist es nicht mehr, Sir. Wir haben es zu Hause in der Werkstatt. Ich reinige es gerade», fügte ich stolz hinzu.
    «So, tust du das. Tüchtig, tüchtig.» Einen Augenblick wirkte Mr Buckland enttäuscht, weil er das Krok nicht mehr draußen am Strand sehen konnte, aber er hatte sich schnell wieder gefangen. «Dann lass uns in deine Werkstatt gehen, Mary. Unterwegs kannst du mir ja zeigen, wo du das Tier ausgegraben hast.»
    Als wir in Richtung Lyme losgingen, fielen mir die vielen Hämmer und Taschen ins Auge, die an seiner geduldigen Stute befestigt waren. Vom Zaumzeug baumelte sogar eine tote Möwe und schlug ständig gegen die Flanke des armen Pferdes. «Was wollen Sie denn mit der Möwe machen, Sir?», fragte ich.
    «Oh, die lasse ich mir in der Küche vom Three Cups zum Abendessen braten. Weißt du, ich esse mich gerade durch das Tierreich. Igel, Feldmäuse und Schlangen habe ich schon probiert, aber eine ganz normale Möwe hatte ich noch nie.»
    «Sie haben Mäuse gegessen?»
    «Aber natürlich. Auf Toast schmecken sie ganz passabel.»
    Die Möwe stank bereits, und bei der Vorstellung, sie zu essen, zog ich die Nase kraus. «Aber … diese Möwe stinkt, Sir!»
    Mr Buckland schnupperte. «So, tut sie das?» Da studierte dieser Mann die ganze Welt, aber das Naheliegende bekam er nicht mit. «Macht nichts, dann lasse ich sie eben abkochen und benutze das Skelett für meine Vorlesungen. Und, was hast du heute gefunden?»
    Als ich ihm meine Schätze zeigte – ein paar Goldammos, einen schuppigen Fischschwanz, den ich Miss Elizabeth schenken wollte, und einen Wirbel von der Größe einer Guinee –, wurde er ganz aufgeregt. Er stellte mir so viele Fragen, die bereits seine Antworten enthielten, dass ich mich bald wie ein Kiesel fühlte, der in der Brandung hin und her gewirbelt wird. Dann wollte er unbedingt zum Erdrutsch zurückgehen und noch mehr Kuris suchen. Die Stute und ich folgten ihm, bis er einen Steinwurf von der Stelle entfernt völlig unvermittelt stehen blieb. «Ach, nein, ich habe ja gar keine Zeit, ich bin doch gleich mit Doktor Carpenter im Three Cups verabredet. Dann

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