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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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es ist», murmelte sie. Ihre Stimme klang jetzt sanfter und nicht mehr so vernünftig wie vorher. «Ich muss immer noch über seine Größe und Fremdartigkeit staunen.»
    Mir ging es genauso. Das Krok hatte eine seltsame Wirkung auf mich. Während ich an ihm arbeitete, fing ich an, regelmäßiger in die Kirche zu gehen. Wenn ich länger allein mit dem Krok in der Werkstatt saß, bekam ich manchmal dieses komische hohle Gefühl. Auf dieser Welt schien es Dinge zu geben, die ich nicht verstand, und deshalb brauchte ich Trost.
    Auch wenn ich Joe verloren hatte, hieß das nicht, dass ich draußen allein war. Als ich eines Tages den Strand entlang zum Black Ven ging, erblickte ich zwei Fremde, die unter den Klippen sammelten. Sie schauten kaum auf, so eifrig schwangen sie ihre Hämmer und wühlten im Matsch. Am nächsten Tag waren es schon fünf Männer und zwei Tage später dann zehn. Ich kannte keinen von ihnen, aber ich belauschte ihre Gespräche und erfuhr, dass sie auch nach Krokodilen suchten. Offensichtlich hatte mein Krokodil und die Hoffnung auf weitere Schätze sie an die Strände von Lyme gelockt.
    In den kommenden Jahren wurde Lyme von Sammlern förmlich überschwemmt. Ich war den leeren Strand gewohnt, an dem ich allein oder nur mit Miss Elizabeth oder Joe suchte. Mit den beiden war es für mich oft nicht anders, wie wenn ich allein unterwegs war, weil jeder ganz für sich suchte. Aber jetzt hörte man zwischen Lyme und Charmouth und auch am Monmouth Strand überall das helle Klopfen von Hämmern und sah Männer mit Maßbändern hantieren und durch Lupen schauen. Sie machten sich Notizen und fertigten Zeichnungen an. Komisch war nur, dass trotz des Riesenaufstands, den sie machten, keiner von ihnen ein Krok fand. Manchmal schrie einer und die anderen eilten neugierig herbei, aber dann war es doch wieder nichts, bestenfalls ein Zahn, ein Stück Kiefer oder ein Wirbel – wenn sie Glück hatten.
    Eines Tages kam ich an einem Mann vorbei, der zwischen den losen Steinen suchte und gerade einen runden dunklen Kiesel aufhob. «Ich glaube, das ist ein Wirbel», rief er seinem Begleiter zu.
    Ich konnte mich nicht zurückhalten, ich musste seinen Fehler einfach verbessern, auch wenn er mich nicht um meine Meinung gefragt hatte. «Das ist ein Beef, Sir», sagte ich.
    «Beef?» Der Mann runzelte die Stirn. «Was soll das sein, ein ‹Beef›?»
    «So nennen wir verkalkte Schieferstücke. Manche von ihnen sehen aus wie Wirbel, aber sie haben hohe Linien in den Schichten, die so ähnlich aussehen wie Seilfasern. In Wirbeln gibt es die nicht. Außerdem sind Wirbel dunkler, wie alle Teile eines Kroks. Sehen Sie?» Ich kramte einen Wirbel aus meinem Korb, den ich kurz vorher gefunden hatte, und zeigte ihn vor. «Wirbel haben wie dieser hier sechs Seiten, auch wenn man sie oft erst nach dem Reinigen richtig deutlich sieht. Und sie sind konkav, als hätte sie jemand in der Mitte mit den Fingern zusammengedrückt.»
    Der Mann und sein Begleiter beäugten den Wirbel wie eine kostbare Münze, was er auf gewisse Weise auch war. «Wo hast du den gefunden?», fragte einer der beiden.
    «Dort drüben. Ich hab auch noch andere.» Sie staunten, als ich alle meine Funde auspackte. Dann zeigten sie mir ihre, aber ich musterte die meisten als Beef-Steine aus. Im Laufe des Tages kamen die beiden Männer immer wieder mit Funden zu mir, die sie für Kuris hielten, und wollten meine Meinung hören. Als andere Sammler das mitbekamen, wurde ich bald von hier nach da gerufen, um den Männern zu erklären, was sie gefunden oder nicht gefunden hatten. Schließlich fragten sie mich, wo sie denn suchen sollten, so dass es nicht mehr lange dauerte, bis ich ganze Sammlergruppen über den Strand führte.
    Auf diese Weise machte ich Bekanntschaft mit Geologen und anderen vornehmen Herren, die sich für Fossilien interessierten. Ich erklärte ihnen ihre Irrtümer und suchte echte Kuris für sie. Einige von ihnen kamen sogar aus Lyme oder Charmouth, zum Beispiel Henry De La Beche, der gerade mit seiner Mutter in die Broad Street gezogen war und nur wenige Jahre älter war als ich. Die meisten aber kamen von weiter her, aus Bristol, Oxford oder London.
    Noch nie zuvor war ich mit studierten Herren zusammen gewesen. Manchmal begleitete uns Miss Elizabeth, dann war es für mich leichter. Weil sie älter war und auf einer gesellschaftlichen Ebene mit den Männern, konnte sie bei Bedarf vermitteln. Wenn ich allein mit ihnen unterwegs war, machte mich das

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