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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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jetzt vor allem aus Scham, weil ich mich vor Miss Elizabeth so gehen ließ. Sie saß noch eine Weile neben mir, dann gab sie es auf und ließ mich mit meinen Tränen allein. Ich sagte zwar nichts, aber ich weinte, weil Lady Jackson und ich durchaus etwas gemeinsam hatten: Wir hießen beide Mary und wir mussten beide sterben. Egal wie schön oder wie hässlich ein Mensch ist, zum Schluss holt Gott uns alle zu sich.
    Nachdem sie Lady Jackson abgeholt hatten, konnte ich eine Woche lang am Strand keine Kuris in die Hand nehmen, denn immer musste ich daran denken, was sie irgendwann einmal gewesen waren: arme Lebewesen, die sterben mussten. Eine kurze Zeit lang erlaubte ich mir, genauso furchtsam und abergläubisch zu sein wie meine alte Spielkameradin Fanny Miller. Ich ging den feinen Herren aus dem Weg und versteckte mich am Monmouth Beach, wo es ruhiger war.
    Aber ohne Kuris gab es auch kein Essen, deshalb schickte Mam mich wieder raus zum Sammeln und drohte, dass sie mich mit einem leeren Korb nicht ins Haus lassen würde. Schon bald verdrängte ich die Gedanken an den Tod, bis er mir das nächste Mal begegnete. Diesmal rückte er mir noch viel näher auf den Leib.
    Später in jenem Frühjahr fand ich das zweite Krokodil. Vielleicht hab ich so lange dafür gebraucht, weil ich dauernd diesen Männern half. Aber Elizabeth Philpot hatte ohnehin immer gesagt, dass die Klippen und Felsbänder ihre Kreaturen nicht so leicht hergeben, bestimmt hat sie sich gefreut, dass sie recht hatte. Es war an einem Mainachmittag draußen am Gun Cliff, und ich dachte nicht einmal an Kroks, sondern an meinen leeren Magen, weil ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Die Flut kam gerade herein, und ich hatte mich auf den Heimweg gemacht, als ich auf einer von Algen überwucherten Felskante ausrutschte. Ich landete auf Händen und Knien, und als ich mich wieder hochdrücken wollte, spürte ich etwas Knotiges unter meiner Hand. Einfach so. Ich war tatsächlich auf einer langen Wirbelkette gelandet und war nicht einmal besonders überrascht. Nicht überrascht, aber erleichtert, denn dieses Krok war der Beweis, dass es noch mehr von ihnen gab und ich meinen Lebensunterhalt damit verdienen konnte, sie zu finden. Das zweite Krok brachte mir Geld, Ansehen und einen neuen Gentleman.
    Es passierte ein oder zwei Wochen, nachdem wir das Krok in die Werkstatt gebracht hatten. Eigentlich hätte ich an dem Fossil arbeiten sollen, aber am Vorabend hatte es ein Unwetter gegeben, und unter dem Black Ven war ein kleiner Erdrutsch abgegangen, den ich mir genauer anschauen wollte. Es waren keine Männer am Strand unterwegs, Miss Elizabeth war erkältet und Joe zählte vermutlich Reißnägel, beizte Holz oder was immer ein Polsterer so machte, auf jeden Fall war ich ganz allein am Strand. Ich wühlte gerade im Boden des Erdrutsches, der Lias-Ton klebte mir unter den Fingernägeln und an den Schuhen, als mich das Geräusch klappernder Steine aufblicken ließ. Ein Mann kam von Charmouth her auf einem schwarzen Pferd über den Strand geritten. Gegen die strahlende Sonne konnte ich nur die Umrisse von Pferd und Reiter erkennen, doch als sie sich näherten, sah ich, dass der Mann eine Stute ritt, ein Arbeitstier, und Cape und Zylinder trug. An einer Seite des Sattels baumelte ein Sack, dessen blaue Farbe mir verriet, dass der Reiter William Buckland war.
    Sicher erkannte er mich nicht, aber ich erkannte ihn sofort: Als ich noch klein war, hatte er oft Kuris bei Pa gekauft. Am besten erinnerte ich mich an den blauen Sack, den er immer dabeihatte, um seine Schätze darin zu verstauen. Er war aus schwerem Material gewebt, was gut war, denn er platzte fast aus allen Nähten, so viele Steine steckten drin. Mr Buckland hatte sie gesammelt und wollte sie Pa zeigen, der aber nichts damit anfangen konnte, weil keine Fossilien dabei waren. Mr Buckland machte das nichts, er war trotzdem von seinen Funden begeistert, wie er sich überhaupt für alles begeistern konnte.
    Er war im wenige Meilen entfernten Axminster aufgewachsen und kannte Lyme gut, obwohl er jetzt in Oxford lebte, wo er Geologie lehrte. Außerdem war er dem geistlichen Stand beigetreten, allerdings bezweifelte ich, dass er jemals einer Kirche vorstehen würde, denn dafür war William Buckland ein viel zu sprunghafter Mensch.
    Als wir den ersten Krokodilschädel im Ballsaal ausgestellt hatten, war er vorbeigekommen, um ihn sich anzusehen. Er lächelte mich zwar an, gesprochen hat er aber nur mit Miss

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