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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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das Suchen erleichtert. Joe war zwar gerade wegen des Wetters lieber Polsterer geworden, als weiter Fossilien zu suchen, aber ich war wie Pa – Kälte und Feuchtigkeit machten mir nichts aus, so lange ich nur Kuris fand.
    Mr Buckland war genauso und wollte auch bei Regen rausgehen. Fanny musste uns natürlich begleiten. Am Strand drückte sie sich dann dicht an einen Felsen, um einen Windschutz zu haben, und kuschelte sich unglücklich in ihren Schal. An solchen Tagen waren wir oft die einzigen Menschen am Strand, denn bei schlechtem Wetter besuchten die Feriengäste lieber die Badehäuser mit ihrem heißen Wasser, gingen zum Zeitungslesen oder Kartenspielen in den Ballsaal oder auf ein Getränk ins Three Cups . Bei Regen waren nur ernsthafte Sammler unterwegs.
    Es war einer dieser Regentage gegen Ende des Sommers, und ich war mit Mr Buckland und Fanny am Strand. Außer uns war niemand draußen, obwohl irgendwann Captain Kurio vorbeigekommen war, der uns wieder einmal hinterherschnüffelte. Nicht weit von der Stelle bei den Church Cliffs entfernt, an der wir den Kiefer ausgegraben hatten, hatte Mr Buckland eine kleine Reihe Hubbel entdeckt, die er für die Wirbel desselben Tiers hielt. Ich hämmerte vor mich hin, um die Knochen freizulegen, als Mr Buckland sich plötzlich entfernte. Im nächsten Moment kam Fanny und stellte sich neben mich, da wusste ich, dass Mr Buckland wahrscheinlich gerade ins Wasser pinkelte. Er achtete immer darauf, mich nicht in Verlegenheit zu bringen, und ging für dieses Geschäft so weit weg, dass ich ihn nicht sehen musste. Ich selbst hatte mich schon längst an diese Eigenart gewöhnt, aber Fanny störte es immer noch. Es war die einzige Gelegenheit, bei der sie zu mir an die Klippe kam. Selbst nach mehreren Wochen in seiner Gesellschaft hatte sie immer noch ein bisschen Angst vor Mr Buckland. Ein Mensch wie Fanny konnte mit seiner Freundlichkeit und den vielen Fragen einfach nichts anfangen.
    An diesem Tag tat sie mir leid. Es regnete in Strömen und das Wasser tropfte ihr vom Haubenrand und lief ihr übers Gesicht. Zum Nähen oder Stricken war es viel zu nass, und es gibt nichts Schlimmeres, als untätig im Regen herumzustehen. «Warum drehst du dich nicht einfach weg, wenn er da unten ist?», fragte ich hilfsbereit. «Er wird ihn dir schon nicht vorm Gesicht herumschwenken. Dazu ist er ein viel zu feiner Herr.»
    Fanny zuckte mit den Schultern. «Hast du schon mal einen gesehen?», fragte sie kurz darauf. Ich glaube, es war die erste Frage, die sie mir seit zehn Jahren stellte. Vielleicht hatte der Regen ihren Widerstand gebrochen.
    Ich musste an den Belmniten denken, den Miss Elizabeth vor vielen Jahren am Strand James Foot gezeigt hatte, und lächelte. «Nein. Außer den von Joe, als er noch klein war. Und du?»
    Ich hatte gar nicht mit einer Antwort gerechnet, doch sie sagte: «Einmal im Three Cups . Da war ein Mann so betrunken, dass er in der Küche die Hosen runtergelassen hat, weil er dachte, er sei auf dem Abtritt.»
    Wir mussten beide lachen, und einen Moment lang dachte ich, dass wir vielleicht wieder besser miteinander auskommen könnten.
    Doch wir bekamen keine Gelegenheit mehr dazu. Es gab keine Vorwarnung, keinen Geröllhagel oder das ächzende Geräusch von Stein, der sich von Stein spaltet. Alles geschah ganz plötzlich. Eben noch hatten Fanny und ich unter der Klippe gestanden und über die Geschlechtsteile der Männer gelacht, und im nächsten Moment war die Klippe einfach zusammengestürzt. Ich wurde umgerissen und unter einer dicken Lehmschicht begraben.
    Auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnern kann, muss ich in dem Moment, als die Klippe auf mich stürzte, die Hand vor den Mund geschlagen haben, denn dadurch war ein kleiner Freiraum entstanden, durch den ich Luft bekam. Sehen konnte ich nichts, und so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte mich kein bisschen von der Stelle rühren, der Lehm war kalt, nass und schwer und umhüllte mich ganz. Nicht einmal rufen konnte ich. Ich dachte, dass ich nun sterben musste, und überlegte, was Gott wohl zu mir sagen würde, wenn ich vor ihn trat.
    Lange, lange Zeit passierte nichts. Dann hörte ich ein Scharren und spürte Hände, die nach mir griffen und mir die Augen frei wischten. Als ich sie öffnen konnte, blickte ich in Mr Bucklands entsetztes Gesicht. Da dachte ich, dass ich vielleicht doch noch nicht vor Gott treten musste.
    «Oh, Mary!», rief er.
    «Sir. Holen Sie mich hier raus!»
    «Ich … ich …» Mr

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