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Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Titel: Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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nicht. So wie eben in dieser Stadt neulich. Ich musste das Gespräch einfach mithören.
    Schon beim Reinkommen sah ich ihn im Augenwinkel. Er hatte den besten Platz besetzt, leicht erhöht, und die zwei Sessel neben ihm zierten eine dieser dicken Fleecejacken mit Huskys oder Wölfen drauf, die den Mond anheulen, und eine große Ledertasche, die einem Trapper alle Ehre gemacht hätte. Er selbst, vielleicht Mitte fünfzig, hatte lange, zum Zopf zusammengebundene graue Haare und einen weißen Bartansatz. Es war einer dieser Leute, die irgendwie in ihren ganzen Proportionen viel zu groß wirken und dadurch auch ein wenig ungelenk. Wahrscheinlich das, was man früher einen Riesen genannt hätte.
    Ich ging also mit meinem Mug zum Nebentisch und setzte mich – und da ging es los. Der Riese winkte einen deutlich jüngeren Bekanten, eindeutig ein Mitbürger mit Migrationshintergrund, aber zweifelsfrei auch wohlintegriert, nicht dass da Zweifel aufkommen, zu sich und das Gespräch begann. Ich hätte mich beinahe umgedreht, so sehr überraschte mich der Akzent des grauhaarigen Mannes: Er hatte einen unverkennbar amerikanischen Zungenschlag, in den sich aber ein deutliches Schwäbeln mischte. Nach einer Weile des Small Talks kam also der Gesprächspartner auf die neuesten Projekte des Mannes, den er Ändi nannte, zu sprechen.
    »Ja weisch du, i hab dene Loide, mid denen isch gredet hab, dodal geholfm. Aba dann had ma mir gsagd, i kann mich net Heiler nennen. Weil i wolld mi ganzheitlischer Heiler nennen, aber des geht hier in Deutschland net. Und dann isch mir eingefallen, dass ich doch auch noch des Lebensfreudediplom hab, fürs Lebensfreudecoaching, net? Also sag isch halt einfach, i bin a Lebensfreudecoach. Und jetzt verteil i da im Coffeeshop a bissle so Gutscheine, da können dann die Leut kostenlos eine Viertelstunde mit mir telefonieren oder halt hier mir an Kaffee spendieren und mit mir reden, dass es ihne wieda besser geht. Und beim nächsten Mal zahlen sie dann dafür, dass ich mit ihne red.«
    Ein allzu guter Ratgeber schien er aber nicht zu sein, denn zu meinem großen Erstaunen bekräftigte er den selbst ernannten Heiler nicht nur in seiner Geschäftsidee, sondern auch gleich in dem Vorhaben, all seine Gespräche hier im Café zu führen, denn da würden sie sich besonders offen geben und frei über ihre Probleme sprechen. Doch immerhin gab er dann noch das Argument »Privatsphäre« zu bedenken.
    »Vielleicht, dass i in Park geh, ist aber im Winter ein bissle kalt, aber wenn i Maroni hol und dazu a Decke, dann geht’s, das kann isch glei ins Heilgespräch integriern. Zum Beispiel der Dieder, mit dem war isch neulisch spaziern, und was soll isch dir sagen: Der hat so Schmerzen im Finger gehabt, des hat gepocht und alles und da hab isch ihn gefragt, willsch du was ändern? Und er hat Ja gsagt und nach 5 Minudn waren die Schmerzen weg.«
    Wieder begeisterte Zustimmung des anderen. Und zugegeben: Auch bei mir war das Lebensfreude-Barometer deutlich gestiegen. Dann aber wurde es ein wenig abstrus. Denn Ändi ließ sich von seinem Gegenüber beraten, wie er die Social-Media-Plattformen für seine Geschäftsidee nutzen könnte. Da ging es dann um Fanseiten und die Prognose, dass es in Kürze ohnehin einen Ändi-Fanclub geben könnte und die Queen sei ja auch bei Facebook und er müsse keine Angst haben, zu viel Fanpost zu bekommen.
    »Und weisch, im Momend könnd i den Fans gar ned antworten, weil i hab gar kein Computer und kei Laptop, des isch alles no bei der Polizei!«, versetzte Ändi dann noch.
    Polizei? Da hab ich ganz langsam meine Sachen eingepackt. Schön unauffällig, sodass Ändi keinen Verdacht schöpfen konnte, ich hätte da was mitnotiert über ihn. So genau weiß man ja auch nie, woher solche Leute ihre Lebensfreude beziehen. Ich hab da nämlich so einen Verdacht: Ob es doch von dem Zeug kommt, das in den Kaffeeläden in Pfefferstreuern steht? Ob das wirklich nur Muskat ist? Ich meine: Wer streut sich schon Muskat in den Kaffee?
    Ob Ändi ein Opfer dieses Lebensfreude-Pulvers ist, das die als Muskat tarnen? Oder vielleicht der oberste Guru der Lebensfreudepulver-Verteiler, die heimlich echtes Muskat gegen indianisches Lebensfreudepulver austauschen? Drogen? Deshalb der Name »Coffeeshop« für diese holländischen Hanfläden? Ich weiß es nicht. Wenn Sie Ändi fragen wollen: Gehen Sie in diese kleine, württembergische Großstadt. Auch als ich auf der Rückreise dort noch einmal durchkam, saß er wieder

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