Zwei Esel Auf Sardinien
auszuziehen. Ich komme ins Schwitzen. Jetzt sitze ich da und drehe das korsettähnliche Teil hin und her, stülpe es mir über den Kopf, bleibe darin hängen. Unter größter Anstrengung versuche ich, einen Arm durch den Ärmel zu schieben, geschafft! Während ich den zweiten Arm verrenke, um in den anderen Ärmel zu schlüpfen, fällt mir ein kleiner nasebohrender Junge auf der anderen Straßenseite auf, der mit wachsender Begeisterung meinen Verrenkungen zusieht. Na, das war ja klar, dass das nicht unentdeckt bleiben würde!
Außerhalb unseres Knattergefährts zupfe ich alles zurecht, knülle meine Klamotten zusammen und klemme sie mir unter den Arm. Dann gehe ich los.
Der Kirchhof liegt verlassen da, anscheinend sind alle bereits in der Kirche. Nicht einmal Bruno hat auf mich gewartet! Ich bin enttäuscht. Warum hat er nicht gewartet, um mit mir gemeinsam an der Zeremonie teilzunehmen? Sonst braucht er doch immer für alles viel länger als ich. Einmal muss er auf mich warten, und dann tut er es einfach nicht! Eine Hochzeit ist doch etwas Außergewöhnliches, gerade weil es nicht die eigene ist. Das ist mir auch viel lieber, denn ich ziehe ein solides Bratkartoffelverhältnis vor. Aber eine Romantikerin bin ich doch, und so ist eine Einladung zu einer Hochzeit für mich etwas Besonderes, und da will ich von Anfang an dabei sein. Vor allem nicht alleine. Bestimmt werde ich ein Taschentuch brauchen, wenn sie »Sì!« gesagt haben, und dann möchte ich, dass mich Bruno verliebt anschaut und mir sagt, dass er es schön findet, dass ich so gerührt bin, und wir beide könnten doch wenigstens, wenn wir schon nicht heiraten, eine private Zeremonie mit Freunden veranstalten! Dann werde ich ein zartes »Ja« hauchen und eine weitere Träne vergießen vor Rührung! Pfui Deibel, bin ich eine Kitschjule!
Leise öffne ich das schwere Portal. Ganz still ist es in der Kirche, die voller Menschen ist. Hin und wieder räuspert sich jemand, und man hört das Knarzen der alten Kirchenbänke. Ich recke meinen Hals, um zwischen all den Köpfen irgendwo Bruno zu entdecken. Aber ich sehe ihn nicht. Von der Empore setzt plötzlich Orgelmusik ein, und eine Seitentür öffnet sich, aus der der Pfarrer mit den Ministranten tritt, die eilig verschiedene Kelche und ein Gefäß, in dem sich mit Sicherheit die Hostien befinden, auf dem Altar abstellen.
Nun kann ich auch die Braut erkennen. Sie trägt eine prächtige weiße Tracht mit vielen Blumen und einem langen bestickten Schleier, der nach Handarbeit aus einem anderen Jahrhundert aussieht. An ihrer Seite steht ein Mann, ich nehme mal an, ihr zukünftiger Gatte.
Auch er trägt Tracht. Da er sich nur unwesentlich in seiner Kleidung von den anderen unterscheidet, lediglich sein Hut erscheint mir ein wenig höher, ist es schwer auszumachen, ob er auch wirklich der Glückliche ist.
Fast möchte ich sagen, dass diese männliche Tracht der griechischen oder auch der türkischen ähnlich ist. Der Hut sieht aus wie ein Fes. Ein Zylinder ohne Krempe, der den gesamten oberen Kopfbereich bis zu den Ohren bedeckt. Das Gewand besteht aus einer roten Weste, die mit schwarzem Samt eingefasst ist, und einem schwarzen weiten Rock, der bis zu den Knien reicht und in der Mitte von einem bestickten Gürtel mit reichverzierten Beschlägen gehalten wird. Darunter tragen die Männer eine weite weiße Hemdbluse und eine weiße Pluderhose, die in schwarzen Stiefeln steckt.
Alle erheben sich jetzt, und ich sehe gar nichts mehr außer den Rücken der Hochzeitsgäste.
Die Musik schwillt an, und alle fangen an zu singen. Fremd klingt es in meinen Ohren, auch kann ich nicht ein einziges italienisches Wort heraushören. Ist es Lateinisch oder Sardisch? Die Frauen wechseln sich wie in einem Choral mit den Männern ab. Wunderschöne Stimmen sind darunter. Männerstimmen, fast so hoch im Sopran wie Frauenstimmen. Dann setzen verschiedene Musikinstrumente ein, lange Flöten und Tamburine. Die ganze Kirche bebt unter dieser kraftvollen und fröhlichen Musik. Ich bekomme sofort gute Laune und summe und klatsche mit. Neben mir steht eine ältere dunkel gekleidete Frau und reicht mir eine Stoffrosette mit weißen Bändern, die ich an mein Kleid heften soll. Somit gehöre ich jetzt dazu, ich bin ein Hochzeitsgast! Aber wo ist mein Mann?
Was nun passiert, unterscheidet sich nicht sehr von unserer Tradition. Der Pfarrer feiert eine katholische Messe. Er predigt auf Italienisch, was ich in Teilen verstehen kann, und hält
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