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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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antwortete mir nicht. »Du hast also losgelassen«, schlussfolgerte ich, »… wegen Willi?« Auch darauf gab sie mir keine Antwort, und so gab es nur noch eine einzige Möglichkeit. »Wegen mir?«, flüsterte ich. »… Es war also doch meine Schuld … War es meine Schuld?«
    Claudia atmete schwer, noch immer sah sie mich an, aber plötzlich war all ihre Erregung dahin, und ihre Augen hatten auch nicht mehr diesen harten Ausdruck.
    »Nee!«, antwortete sie leise. »Dat wa nich deine … dat wa meine Schuld. Ich wollt dich nich verliern, und ich wollt auch nix versäumen, … und deswegen wollt ich unbedingt ganz genauso sein wie du. Sanft und gescheit und so. Dat bin ich aber nich. Und wenn man wat nich is und et trotzdem sein will, dann fällt man auf de Schnauze. Besonders wenn man so wat wie dich tächlich um sich hat. Du wars gefährlich für mich … dat hab ich bloß ers viel zu spät kapiert.«
    Nun verstand ich überhaupt nichts mehr.
    »Gefährlich?«, stammelte ich nur.
    »Mmh!«, bestätigte sie mir. »Dat hat wat mit de Kräfte zu tun. – Et gibt da sonne Geschichte von zwei Babys. Dat eine is krank, und dat andere is gesund, und die liegen in ein Bett. Und weil dat Kranke leben will, nimmt et dat Gesunde alle Kraft. Und dat klappt! Ant Ende is dat Kind, wat früher ma stark wa, unter de Erde, und dat andere is son richtigen Brecher. Verstehse?«
    Hilflos schüttelte ich den Kopf.
    »Is auch egal«, meinte sie. »Macht nu eh nix mehr aus, Evken. Glaub et mir! Nimm, watte brauchs … und den Rest … den schenk ich dir soga noch.«
    Sie lächelte mich an, als sie das sagte, und darüber erschrak ich noch mehr als über ihre Worte. Rein gefühlsmäßig hatte ich die nämlich sehr wohl verstanden, nur überdenken wollte ich sie nicht. Tief in mir war eine Stimme, die mich davor warnte, die mir klar machte, dass ich die Wahl hätte, hier und jetzt. Wenn ich Claudias Angebot annahm, wartete das Leben auf mich, das spürte ich. Dachte ich erst darüber nach, würde ich Skrupel bekommen, das wusste ich, und die … nein … nein, ich wollte leben.
    Claudia sah mir wohl an, was in diesem kurzen Augenblick in mir vorging. Vielleicht las sie sogar meine Gedanken. Auf jeden Fall sagte sie plötzlich laut und deutlich:
    »Wunderba, Eva! Und nu wolln wir nie mehr über diese Scheiße reden. Einverstanden?«
    Ich nickte … und nahm damit das größte Angebot meines Lebens an.
    Dann kam der Mai, für mich der schönste Monat, den es gibt. Das Jahr steht dann in voller Blüte. Es hat seine Lebensmitte noch nicht erreicht und doch schon die Zeit der Unreife hinter sich gebracht. Genossen hatte ich das schon in meiner Kindheit, aber noch nie so wie in diesem Mai 1977. Alles schien auf einmal so einfach zu sein, sämtliche Schwierigkeiten waren wie weggeblasen, auch die zwischen Claudia und mir.
    Trotz der Chemotherapie und ihrer Unannehmlichkeiten hatte ich wieder zugenommen und brachte stolze achtundsiebzig Pfund auf die Waage. Meine Wege ging ich wieder zu Fuß, und selbst an Tagen, an denen es mir schlecht ging, trainierte ich im Treppenhaus der Strahlenklinik. Meist schaffte ich nur zwei Etagen, und schon raste der Puls, und der Schweiß rann in Strömen. Manchmal brachte ich es aber auch schon auf drei Stockwerke, auf dreieinhalb, vier … Der Einzige, der diesem Ehrgeiz gar nichts abgewinnen konnte, war Doktor Behringer.
    »Was soll das bloß?«, fragte er jedes Mal, wenn er mich »erwischte«.
    »Ich übe für den ersten Sonnentag!«
    »Und dann?«
    »Werde ich einen Spaziergang durch den Park machen, Herr Doktor!«
    Das nahm er wohl nicht für bare Münze, denn an dem Morgen, an dem es so weit war, schien er geradezu entsetzt. »Ohne Begleitperson?«, rief er aus.
    »Ja.«
    »Dann stecken Sie sich wenigstens einen Zettel in die Tasche: eva martin – strahlenklinik – station S 1. – Für den Fall, dass Sie zusammenklappen!«
    Dabei hatte ich gar nicht die Absicht zusammenzuklappen. Körperlich wie seelisch fühlte ich mich wohl wie seit langem nicht mehr, und ich sah sogar ausgesprochen gut aus. Einen blutroten Seidenoverall trug ich, darunter einen wärmenden und zugleich stark auftragenden Strickanzug. Um die Taille hatte ich mir einen goldenen Gürtel geschlungen, dessen Unterseite mit eineinhalb Zentimeter dickem Schaumstoff beklebt war, wie man ihn normalerweise zum Isolieren von Fenster- und Türritzen benutzt. Das ließ den Gürtel aufliegen und mich dicker erscheinen, als ich in Wahrheit war.

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