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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Ebenfalls golden waren meine hochgeschlossenen Pumps und das riesige Tuch, das ich mir um den Kopf gewickelt hatte. Seine langen Fransen fielen mir wie ein Pony in die Stirn, und das schmeichelte meinem stark geschminkten Gesicht.
    Als ich die Eingangshalle der Strahlenklinik durchquerte, schossen zahlreiche Augenpaare, vorwiegend männliche, auf mich zu. Die sahen vermutlich keine Schönheit im herkömmlichen Sinne in mir, nicht einmal ein hübsches Mädchen. Sie sahen aber ein Wesen, das an geschmackvoller Extravaganz wohl kaum noch zu übertreffen war, und das genügte mir erst einmal.
    Im Park war es herrlich. Seit Weihnachten war ich nicht mehr draußen gewesen. Fünf Monate lang hatte ich alles nur vom Fenster oder bestenfalls vom Portal aus sehen können, und in dieser ganzen Zeit war frische Luft das für mich gewesen, was Schwester Helma morgens früh nach dem Bettenmachen für etwa zehn Minuten durch einen Fensterspalt in unser Zimmer strömen ließ. Diese Entbehrungen hatten nun ein Ende. Ich genoss die viele, viele frische Luft, die plötzlich um mich war, genoss den Wind und den Frühlingsduft, den er mit sich trug, den Anblick der blühenden Blumen, der dichten Sträucher und der vor Kraft strotzenden Bäume. Ich genoss es wirklich sehr, zu sehr, so sehr, dass ich diesen entsetzlichen Mann, der mir plötzlich entgegenkam, einen Moment zu spät erblickte: El Brutalo. Geradewegs schritt er auf mich zu, über das ganze Gesicht grinsend, und während ich ihn sofort wiedererkannte, erkannte er mich wohl nicht, denn sonst hätte er vermutlich nicht gewagt, wie ein pubertierender Rocker durch die Zähne zu pfeifen.
    »Na? Gehn wir Gassi?«
    Im Vorübergehen rief er mir das zu, und ich war mal wieder viel zu perplex, um prompt zu parieren. Erst Stunden später fiel mir auf diese impertinente Frage eine ebenso impertinente Antwort ein.
    »Wenn wir unsere Leine dabeihaben!«
    Aber da war es ja längst zu spät. Als es darauf angekommen wäre, war ich stumm wie ein Fisch, und erst als El Brutalo bereits in der Ferne verschwunden war, begann ich zu fluchen.
    »So ein verdammter Mistkerl! Frauenschänder! Kretin! Eingebildeter Affe!«
    Claudia wollte sich darüber fast totlachen.
    »Wat en Hammer!«, brüllte sie immer wieder.
    Warum ich mich über El Brutalo so ärgerte, verstand sie nicht. »Der kann nu ma nich anders«, meinte sie. »Vergiss ihm!«
    Genau das wollte mir aber nicht gelingen. Ich konnte diesen bulligen Mann einfach nicht mehr vergessen. Nacht für Nacht lag ich wach und führte mir vor Augen, was er mir angetan hatte. Tag für Tag dämmerte ich vor mich hin und träumte von seinem entwaffnenden Lächeln, von seinen Augen, von seinem kräftigen Körper. Einerseits wollte ich mich an diesem Mann rächen, andererseits wollte ich ihm verzeihen, um ihm zu gefallen. Warum ich ihm gefallen wollte, war mir jedoch unklar, denn verliebt war ich nicht. Oder doch?
    Ich wusste es wirklich nicht. Ich wusste nur, dass da unendlich viel Sehnsucht in mir war. Ich sehnte mich nach Liebe und Geborgenheit, nach Zärtlichkeit und Wärme, und all das schien dieser Mann geben und annehmen zu können. Immer mehr bestimmte er meine Träume, immer brennender wurde mein Wunsch, ihn endlich wiederzusehen.
    Dabei hätte ich es wissen müssen: Was man sich von Herzen wünscht in dieser Welt, wird auch immer Wirklichkeit – allerdings sieht die Wirklichkeit dann meist ganz anders aus, als man es sich in seinen Träumen wünschte. So erging es in diesem Fall auch mir, und Professor Mennert versuchte, mir das auf ganz charmante Art beizubringen.
    »Was für ein herrlicher Tag!«, tönte er eines Morgens mit einem unüberhörbaren Jauchzen in der Stimme. »Und was für herrliche Neuigkeiten ich habe, Eva. Ihre Laborwerte sind nämlich nach wie vor erstaunlich gut.«
    »Ah ja?«
    »Ja. Nur wegen Ihrer holden Weiblichkeit mache ich mir Sorgen, das heißt …«
    Er fing an, mir einen langen Vortrag zu halten, dessen Inhalt mir bereits bestens vertraut war. Von Anfang an hatten die Funktionen meiner Unterleibsorgane sämtliche Gemüter erregt. Wie viele Tänzerinnen und Hochleistungssportlerinnen hatte ich nämlich von jeher unter Unregelmäßigkeiten gelitten, die für einen Normalbürger unbegreiflich waren. Wenn es hoch gekommen war, hatte ich meine Periode drei- bis viermal pro Jahr bekommen, und das dann meist auch noch zu so ungünstigen Zeitpunkten, dass meine Ballettmeisterin einen ihrer »Medizinmänner« gebeten hatte, sie

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