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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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verrieten mir, dass es ihm endlich dämmerte. Ganz artig hatte ich das zitiert, was Professor Mennert mir einmal an den Kopf geworfen hatte, nachdem ich einem Brechreiz erlegen war. Was für mich gegolten hatte, musste jetzt auch für Claudia gelten.
    »Oder nicht?«, vergewisserte ich mich. »Oder ist das zu viel verlangt? Es ist doch wirklich nichts passiert. Die Ortmann hat eine Platzwunde und eine Gehirnerschütterung. Na und?«
    Behringers Gesichtszüge entgleisten immer mehr. Strafend und erschrocken zugleich starrte er mich an, und erst nach einer ganzen Weile hauchte er ein fassungsloses »Eva …!«
    »Ja?«, erwiderte, ich kühl.
    »Wie können Sie so etwas sagen, Eva?«
    Auf so eine Frage hatte ich schon lange gewartet. In den Augen der übrigen Menschen hatten Krebskranke sanfte Wesen zu sein, die voller Güte und Liebe auf die Gesundheit der anderen blickten. Jedem x-beliebigen Mann von der Straße hätte ich diese Fehleinschätzung verziehen. Behringer aber war mein Arzt.
    »Und Ihnen hätte ich mehr Einfühlungsvermögen zugetraut«, erklärte ich ihm. »Da dem aber nicht so ist, Herr Doktor: Menschen, die plötzlich auf vieles verzichten müssen, werden dadurch nicht zwangsläufig zu besseren Menschen. Keine Krankheit macht aus einem Teufel einen Engel, und erst recht nicht der Krebs, dazu ist der viel zu zerstörerisch.«
    Behringer schluckte. Er sagte jedoch nichts.
    »Schauen Sie uns doch mal mit offenen Augen an!«, fuhr ich fort. »Neidisch sind wir. Wir sind neidisch, wir sind aufmüpfig, und vor allem sind wir zornig. Und soll ich Ihnen sagen, warum? Weil wir leben, Herr Doktor. Wir leben! Wir lernen hier nämlich, was das ist: Leben! «
    Ich saß da, als würde ich im nächsten Moment per Schleudersitz ins All entschwinden wollen, ich sprach, als könnte ich mit meinen Worten die Erde vor dem dritten und damit unweigerlich letzten Weltkrieg bewahren, und dieser Ernst entging nicht einmal Herrn Doktor Behringer. Schweigend sah er mich an.
    »Nun«, meinte er dann nach einer ganzen Weile, »manchmal scheint mir das allerdings auch so.«
    »Was?«
    »Was Sie da gerade über das Leben gesagt haben. Nur … eigentlich ist es schade, dass das Sterben die einzige Schule des Lebens ist.«
    »Nun übertreiben Sie doch nicht gleich!«, regte ich mich auf. »Ich kann nicht glauben, dass es eines Karzinoms, einer Leukämie oder der Pest bedarf, um den Wert des Lebens zu ermessen.«
    »Nein«, seufzte Behringer, »manchmal reicht auch ein Herzinfarkt. Oder ein schwerer Unfall … – Eva, … ich habe da noch etwas mit Ihnen zu besprechen … etwas ganz anderes …«
    Dieses Springen »von Hölzken auf Stöcksken«, wie Claudia das nannte, war eine Eigenart von Doktor Behringer, die ich über alle Maßen verabscheute. Nie blieb er bei einem Thema, immer musste er gleich noch etwas anderes anschneiden und aufrühren, und noch etwas, noch etwas.
    »Etwas Unangenehmes?«, erkundigte ich mich spitz.
    »Nein, wieso?«
    »Nun, wenn es etwas Unangenehmes ist, behalten Sie es besser für sich, für heute reicht es mir nämlich.«
    Er lächelte. »Ausnahmsweise ist es mal eine freudige Botschaft.«
    »Das kann aber doch nicht sein, Herr Doktor, nicht auf dieser Station!«
    »Und wenn es nun doch so wäre …!?« Behringer holte tief Luft. »Also, Fräulein Martin«, tönte er …
    »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    »Wie?«
    Ich wusste selbst nicht, warum ich das gesagt hatte, und deshalb konnte ich sein Erstaunen durchaus verstehen.
    »Ich kann mich auch dabei setzen«, meinte er und nahm auf meiner Bettkante Platz. »Das ändert nichts. Also, Eva, ich melde gehorsamst …«
    »Sie sitzen auf meinem Nachthemd!«
    Nun ging Behringers Erstaunen bereits in eine gewisse Verärgerung über, für die ich mich nicht verantwortlich fühlte. Er saß nämlich wirklich auf meinem Nachthemd. Ich hatte das nicht nur so dahingesagt, um Zeit zu schinden. Ich hatte keine Angst. Behringer schien das aber zu glauben. Er brachte die Sache mit dem Nachthemd in Ordnung und erkundigte sich, ob er seine Neuigkeit jetzt endlich an die Frau bringen dürfte.
    »Aber ich bitte Sie«, erwiderte ich großzügig, »niemand hindert Sie!«
    »Dan–«
    »Reden Sie frei drauflos!«
    »Danke!«
    Ganz fest sah er mich an, und ich wusste, dass ich es jetzt geschehen lassen musste, wenn mir nichts geschehen sollte.
    »Also, Fräulein Martin«, wiederholte er alles noch einmal, »melde gehorsamst: keine weiteren Metastasen! Sämtliche Werte stabil!

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