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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Karin mir zu.
    »Nein«, erwiderte ich charmant, »aber sie wird von Tag zu Tag besser.«
    Das erschütterte Karin über alle Maßen, und sie stieß nacheinander mehrere Seufzer der Verzweiflung aus, die einer wie der andere äußerst eindrucksvoll klangen.
    »Ich versteh’ das wirklich nicht«, ließ sie mich dann wissen. »Als Kind war Claudia nämlich prall und gesund, so ein richtiger Wonneproppen.«
    »Das war ich auch«, gab ich zurück.
    »Ach ja? Das ist ja merkwürdig. Ich war nämlich immer ein sehr zartes Kind, regelrecht zerbrechlich.«
    »Ich war fett.«
    »Wie merkwürdig!«
    »Was finden Sie denn daran so merkwürdig?«, hakte ich nach.
    Daraufhin verzog Karin das Gesicht zur Unkenntlichkeit, was offenbar einen intelligenten Eindruck machen sollte. Ich erschrak eher darüber. »Nun«, meinte sie dann, »vielleicht hängt so eine Krankheit ja mit der Kindheit zusammen, ich meine … die Ärzte wissen im Grunde ja auch noch nichts Genaues.«
    Diese Möchtegern-Logik war zu viel für Claudias angegriffenes Nervenkostüm. Trotz ihrer allgegenwärtigen Rückenschmerzen richtete sie sich pfeilschnell auf und schrie:
    »Deine Theorien sind genauso beschissen wie dein Gelaber!«
    »Aber Claudia!«
    »Hör endlich auf mit die alte Leier, sons …!«
    »Aber Claudia!«
    Mit ihrer grenzenlosen Sanftmut schaufelte Karin sich arglos die eigene Grube.
    »Reg dich bloß nicht auf«, säuselte sie Claudia ins Gesicht, »das tut dir bestimmt nicht gut. Denk lieber mal an etwas Schönes, an etwas wirklich Schönes, an …«
    »Au ja!«, rief Claudia begeistert und bösartig zugleich. »An Ficken!!!«
    »Aber Claudia!«
    »Wat denn!«
    »Da sträuben sich einem ja die Haare!«
    »Besitz belastet eben!«
    »Aber Claudia!«
    »Wenn de jetz noch einma ›Aber Claudia!‹ sachs, denn kracht et! Ich hab nämlich nix mehr zu verliern, du Zimtzicke, ich kratz ab, jeden Moment en bissken mehr!«
    Karin hörte zwar zu, aber sie verstand mal wieder nichts.
    »Aber Claudia!«, rief sie nur ein letztes Mal. »Ich kann das eben alles einfach nicht verstehen. Ich bin nun mal mein ganzes Leben lang nicht wirklich krank gewesen, nur die Masern, die Röteln und die Windpocken hatte ich, sogar den Blinddarm …«
    Karin geriet völlig aus dem Häuschen. Sie plapperte all diese viel zitierten Blödsinnigkeiten vor sich hin und bemerkte gar nicht, dass sie sich mit jedem Wort mehr dem Abgrund näherte. Dabei stieß Claudia sogar noch eine letzte Warnung aus.
    »Nu reicht et mir!«, kreischte sie beim Stichwort Masern, griff dann bei Röteln zu der Wasserflasche, die auf ihrem Nachttisch stand, hob sie bei Windpocken hoch in die Luft und – schlug zu. Bei Blinddarm. Das Timing war perfekt, und ich hätte nichts, aber auch rein gar nichts dagegen tun können. Dazu ging es viel zu schnell.
    Danach herrschte Totenstille. Karin Ortmann schwieg. Regungslos lag sie am Boden, und aus ihrem Kopf tropfte Blut.
    »Und jetzt?«, hauchte ich, nachdem ich die Situation einigermaßen begriffen hatte.
    Claudia legte sich entspannt zurück und lächelte. »Wat weiß ich!«
    »Soll ich schellen?«
    »Wieso dat denn? Wegen die da? Nee! Dat wa längst ma fällig!«
    Ich schluckte. Ich war nämlich ganz ihrer Meinung. Ich, die ich Claudia noch vor einer knappen halben Stunde geraten hatte, sich doch einfach mal zu beherrschen, ich hatte nicht nur mordsmäßigen Spaß an diesem Zweikampf gehabt, sondern ich fand auch, dass Karin das alles wirklich verdient hatte, mehr noch, sie musste Claudia meines Erachtens dankbar sein.
    Ich hatte diese Frau nie leiden können. Sie strahlte ein so unerschütterliches Selbstbewusstsein aus, dass ich mir immer sicher gewesen war, dass dieses Wesen nur seine Vorzüge sah, wenn es in den Spiegel blickte. Sie glaubte wohl auch an ihre inneren Werte und war überzeugt, dieser Glaube würde sich auf den Betrachter übertragen und ihn ins Schwärmen geraten lassen. Und eben deshalb hatte ich sie nie gemocht.
    »Soll ich nicht doch schellen?«, fragte ich nach einer Weile noch einmal.
    »Nee!«
    »Aber, wenn sie –«
    »Die is nich tot«, unterbrach Claudia mich, »sonne Leute sterben nich, dat is ja den Jammer.«
    Da musste ich plötzlich auch kichern.
    »Wat is?«
    »Nichts«, gluckste ich, »nur … ich finde das eigentlich … super … ja: super! «
    »Wat?«
    »Na ja«, stieß ich mühsam hervor und zeigte auf die bewusstlose Karin, »Masern, Röteln, Windpocken – und Schädelbruch!!!«
    Und dann lachten wir, dass es im

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