Zwei Frauen: Roman (German Edition)
wäre. Sie antwortete mir auch diesmal nicht, und so ließ ich mir von der Nachtschwester ein Schlafmittel verpassen, das es in sich hatte. Danach fühlte ich mich sofort besser. Die Gedanken und die Ängste schwiegen still, ich ging ins Zimmer zurück, legte mich in mein Bett, löschte das Licht und spürte auch sogleich, wie ich anfing, mich zu entspannen. Ein tiefer und erholsamer Schlaf nahte, ich spürte es ganz genau. Doch da ging plötzlich das Licht wieder an, und Claudia räusperte sich unüberhörbar.
»Eva?«
Darauf hatte ich nun seit Stunden gewartet, jetzt schien es zu spät zu sein. »Mmh?«, war das Einzige, was ich hervorbrachte.
»Eva!!!«
»Mmh …?«
»Eva!!!«
Claudia brüllte plötzlich, als wäre ich am anderen Ende der Stadt.
»Was ist denn?«, murmelte ich.
»Ich will mich unterhalten!«
Im ersten Moment mochte ich es gar nicht glauben. Ernsthafte Sorgen hatte ich mir um Claudia gemacht, hatte gefürchtet, sie würde die schwersten Stunden ihres Lebens durchmachen … Und in Wahrheit hatte sie nur geschwiegen, um Kräfte für ein neuerliches Konversationsmatch zu sammeln?
»Oh nein …!«, stöhnte ich.
»Doch!«
»Ich will schlafen …«
»Und ich will mich unterhalten!«
Bleischwer waren meine Lider, und ich fror erbärmlich. »Bitte nicht, Claudi …«
»Aber ich krepier!«
»Du gehst mir auf den Geist …«
»Eva!!!«
Sie schrie so laut, dass ich unter normalen Umständen augenblicklich senkrecht im Bett gesessen hätte. So ließ es mich lediglich einen müden Blick riskieren.
»Was ist denn?«, quetschte ich hervor.
»Ich will mich unterhalten«, brüllte Claudia immer und immer wieder, und dabei trommelte sie mit ihrer freien Hand im Takt auf die Bettdecke: »Ich will mich unterhalten! Ich will mich unterhalten! Ich will mich unterhalten! Ich will mich –«
Ich kam mir vor wie im Busch, umgeben von Eingeborenen, die um Regen trommelten. Das war auch mit Schlaftabletten nicht zu ertragen, und so richtete ich mich mühsam auf.
»Ist ja gut, Claudia …« Ihre Quasselei war mir unter dem Strich lieber als jede Katastrophe – »… worüber willst du dich denn unterhalten?«
Als ich es ausgesprochen hatte, sah ich, dass einer ihrer dicksten Astrologie-Wälzer auf ihrem Nachttisch lag, und damit war auch schon klar, worüber wir reden würden.
»Also«, gähnte ich, »fang an!«
Ich sollte Recht behalten. Wir »unterhielten uns« mal wieder über die Sterne, denn was das anging, war ich Claudias bevorzugtes Opfer. Ich war nämlich eine Waage mit Aszendent Skorpion, die wohl so ziemlich unmöglichste aller Kombinationen, wie sie mir stets erklärte. Außerdem war ich im Jahr des Hahns geboren, und das konnte mir angeblich auch mehr schaden als nutzen.
»Weil kaum wat zu dir passt!«, ließ sie mich auch jetzt wieder wissen. »Bloß Pferde, Büffel, Drachen und Ratten.«
»Aha.«
»Nix aha, Eva, so sieht dat aus!«
Claudia selbst war eine Schlange beziehungsweise ein Stier mit Aszendent Löwe. Das hielt sie für die günstigste Konstellation überhaupt, ging aber nur selten darauf ein, weil ich ja da war, und mich astral auseinander zu nehmen, war schließlich wesentlich erfüllender.
»Du muss en Wassermann heiraten«, belehrte sie mich in dieser Nacht einmal mehr, »oder nee … en Löwen. Oder en Schützen. Dat hab ich nämlich allet nachgelesen.«
»Großartig!«, erwiderte ich gelangweilt, und im gleichen Moment hätte ich mich dafür ohrfeigen können, jemals auch nur einen einzigen Gedanken an etwaige Probleme der Claudia Jacoby verschwendet zu haben, »Und was nutzt mir dann so ein Wassermann, der die Waage in mir liebt und den Skorpion verabscheut?«, setzte ich unseren sinnlosen Dialog fort.
»Na, dann suchse dir ebent en Löwen, der Skorpione liebt«, erwiderte Claudia.
»Und das geht dann gut, oder wie?«
»Dat klappt dann soga ganz hervorragend! Da musse dann bloß noch achten, dat ihn kein Affe is oder etwa en Hund. Obwohl … na ja, mein Willi, der is ja Tiger, und dat geht eigentlich super mit Schlange. Und außerdem is ihn Steinbock mit Aszendent Zwillinge, und dat is spitzenmäßig mit Stier, Aszendent Löwe. Aber nu guck dir an, wie dat gegangen is mit uns! Da musse dich dann doch fragen …«
Sie redete und redete. Kein einziges Mal schien sie Luft zu schöpfen, das Thema nahm sie viel zu sehr in Anspruch. Mich schläferte es indes eher ein, und so dauerte es nur ganz kurze Zeit, bis Claudias Monolog nur noch eine Geräuschkulisse für
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