Zwei Frauen: Roman (German Edition)
ganzen Haus zu hören war.
Dass Claudia und mich die »Affäre Ortmann« so sehr erheiterte, stieß bei den anderen leider auf keinerlei Verständnis.
»Da fehlt mir der nötige Sinn für Humor!«, kläffte Doktor Behringer, was noch die harmloseste aller Reaktionen war. Schwester Helma schrie gleich nach der Kriminalpolizei, Schwester Gertrud regte an, Claudia in psychiatrische Schutzhaft nehmen zu lassen, und Professor Mennert ging so weit, sich zum obersten Richter aufzuschwingen: Er ließ Claudia vorführen wie eine Schwerverbrecherin, um sie abzuurteilen. Mit verzerrtem Gesicht hievte Claudia sich in den Rollstuhl, nur um irgendwie in Mennerts Büro zu kommen. Die Kraft ihrer Arme reichte kaum dazu aus, es strengte sie so sehr an, dass ihr der Schweiß auf die Stirn trat, es bereitete ihr so große Schmerzen, dass sie leise vor sich hin wimmerte – und all das, weil sich ein wütender Arzt zum Inquisitor berufen fühlte.
» Das ist Körperverletzung!«, tobte ich. »Quälerei ist das. Folter!«
Aber das hörte Claudia schon nicht mehr, und so war ich allein mit mir und meinen Schreckensbildern von dem, was Mennert wohl mit ihr anstellen würde.
Darüber kam Doktor Behringer herein. Er schnaubte vor Wut, und ich ahnte sofort, was das zu bedeuten hatte: Während sich der Meister Claudia vornahm, sollte der Geselle mir den Kopf waschen.
Behringer baute sich vor meinem Bett auf, blickte betont kühl auf mich herab und erklärte mir, so ginge das nicht weiter, und überhaupt!
»Ich muss mit Ihnen reden, Eva! Über Claudia!«
Wie er das meinte, wusste ich natürlich, aber ich drehte den Spieß einfach um.
»Das ist gut«, sagte ich höflich, »über Claudia wollte ich nämlich auch schon lange mal mit Ihnen reden, Herr Doktor. Ich möchte wissen, was das mit ihren Rückenschmerzen auf sich hat.«
»Was?« Behringer war sichtlich konfus.
»Ja«, führte ich aus, »sie hat doch diese Rückenschmerzen, und Sie haben doch jede Menge Untersuchungen –«
»Eva …!!!« Behringer wollte mich einschüchtern. »Für den Fall, dass das kein Scherz sein soll, Eva … dazu kann ich Ihnen nichts sagen, darum kümmert sich der Chef persönlich, und ich habe keine Ahnung, aber Sie sind lange genug hier, um zu wissen, dass ich Ihnen selbst dann, wenn ich Informationen hätte, kein einziges Wort sagen dürfte und sagen würde …!!!«
Die letzten Worte brüllte er mehr, als dass er sie sprach.
»Wenn das so ist«, erwiderte ich entsprechend gereizt, »wüsste ich nicht, worüber wir sonst noch reden sollten.«
»Nein?«
»Nein!«
»Claudia Jacoby hat einer unschuldigen Frau –«
»Claudia geht es sehr schlecht!«
Behringer atmete, als stünde er unmittelbar vor einem Kollaps.
»Wissen Sie was?«, hechelte er. »Mir kommt das so vor, als hätten Sie eine Art von Beschützerinstinkt entwickelt, Eva! Die Klapperschlange beschützt den Skorpion! Vermutlich belastet Sie gar die Vorstellung, unser böser Professor Mennert könnte Ihrer lieben Claudi etwas tun.«
»So ist es!«, gab ich trocken zurück, was mein Gegenüber aber nur noch mehr erboste.
»Nun hören Sie aber auf!«, fuhr er mich an. »Überlegen Sie mal, was passiert ist! Das Mädchen kann von Glück sagen, dass man sie für diese Tat nicht zur Rechenschaft zieht.«
»Das Mädchen?«, hakte ich nach, nur um Behringer zu ärgern. »Welches Mädchen?«
»Claudia!«, schrie er. »Claudia kann sich wirklich glücklich preisen. Das hätte Folgen für sie haben können.«
»Folgen?«, ärgerte ich ihn weiter. »Was denn für Folgen?«
Daraufhin wurde Behringer feuerrot vor Zorn.
»Nun stellen Sie sich aber mal nicht dümmer, als Sie sind!«, brüllte er mich an. »Wenn Claudia gesund wäre, hätte man sie dafür ins Gefängnis gesteckt. Das wissen Sie genau!«
Nun stellte er sich für meine Begriffe dümmer, als er war.
»Wenn Claudia gesund wäre«, brüllte ich zurück, »hätte sie das gar nicht erst getan, und das wissen Sie genau!«
Behringer zuckte merklich zusammen. »Einen Ton haben Sie am Leib!«, brummte er dann.
»Ihrer ist nicht besser, und außerdem verstehe ich die ganze Aufregung nicht. Was ist denn schon passiert?«
Behringer verschlug es die Sprache. »Was … passiert … ist …?«, stammelte er nur.
»Ja! Claudia verhält sich doch nur derart normal, dass es schon fast peinlich ist, Herr Doktor. Sie ist in dem Stadium ihrer Krebserkrankung, in dem sie Mitleid will – Mitleid im wahrsten Sinne des Wortes!«
Behringers Augen
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