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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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mir diese Grün-Kittel nicht zu gönnen.
    Ich sah, wie sie mich umschwirrten, wie sie meinen Körper vom Operationstisch hoben und ihn auf den Fußboden legten. Ich sah das ganz deutlich, aber ich spürte es nicht mehr, konnte es auch gar nicht mehr spüren, denn mir war plötzlich, als wäre ich eine andere, als läge ich in völliger Kongruenz auf meiner eigenen Hülle, als würde ich mich langsam und schwerelos von ihr lösen, hoch über ihr in der Luft schweben. Immer weiter entfernte ich mich von mir, entfernte mich, entschwand. Da wurde es plötzlich wieder dunkel um mich her, und ich sah Bilder, rasend schnell. Man schob mich in den Operationssaal – gerade – vor einer Stunde … Ich betrat diese Klinik – damals – vor über zwei Jahren … Ich stand im Ballettsaal und machte ein Plié – damals – vor fast zehn Jahren … Mein Großvater nahm mich auf den Arm – damals im Krankenhaus, wenige Stunden vor seinem Tod – vor über siebzehn Jahren … Und dann: ein dunkler, enger Schlauch, Blut, Atemnot, Angst … und Wut. Man hatte mich in dem Dunkel einfach zurückgelassen und gab mich auf. Ich machte mich ganz schmal, presste meinen kleinen Körper gegen die triefenden Wände meines finsteren Gefängnisses und stieß ins Licht, sah die großen Hände, die sich mir plötzlich doch noch entgegenstreckten und mich in die Freiheit hoben, sah ein entsetztes Männergesicht, Onkel Hans – der Augenblick meiner Geburt … ich hatte mir dieses Leben selbst ausgesucht, es war mein Wunsch und Wille gewesen, es zu leben, und ich hatte jede einzelne seiner Stationen vom ersten Augenblick an gekannt – Aus ! Wieder wurde es dunkel, aber mir war, als liefe ich schweren Schrittes durch diese Dunkelheit, körperlich erschöpft, müde. Es war nass und kalt, und an einer Mauer blieb ich stehen. Ein kleiner Junge kam auf mich zu, und er hielt ein selbst gemaltes Bild in der Hand, das er mir gab. Ich nahm das Kind auf den Arm und drückte es fest an mich. Es lächelte. Blaue Augen. Blondes Haar. Ein unvergessliches Kinderlachen. Aus!
    Wieder wurde es dunkel, doch in der Ferne sah ich einen Lichtstrahl, hell und klar. Er kam näher und näher, er wurde größer und größer, und ich war so unendlich glücklich. Es gab keine Hölle, es gab keinen Richter, es gab nur mich, nur mich? … Ich lag plötzlich auf einer grünen Wiese. Die Sonne schien, und durch die Wipfel der Bäume zog ein Wind, der nichts regte. Es war schön, wunderschön, und ein Gefühl endloser Seligkeit erfasste mich, als plötzlich eine Stimme erklang.
    »Du musst zurück!«
    Ich erschrak nicht, als ich das hörte, aber ich wollte etwas sagen und konnte es nicht.
    »Du musst zurück!!!«
    Es war eine himmlische Stimme, die ich da vernahm, und ich liebte ihren Klang, wie ich nie zuvor etwas geliebt hatte. Sie hatte nichts Irdisches, diese Stimme, aber sie war trotzdem klar und deutlich, sie duldete keinen Widerspruch, aber sie war trotzdem liebevoll warm.
    »Du musst zurück!!!«
    Im gleichen Moment schlug mein Körper hart auf. Es tat weh, auf sonderbare Weise, und ich hörte das Piepsen des ekgs, das erleichterte Aufatmen von Menschen, und auch das tat mir weh – auf sonderbare Weise. Eine Traurigkeit ohnegleichen erfüllte mich. Sie war das Kind einer fremden Sehnsucht, die wie Feuer in mir brannte und deren Flammen ein Gefühl des Geliebtseins in mir entfachten, das mich zu verschlingen schien. Ich wollte umkehren, ich wollte nach Hause, heim ins Licht. Doch da wurde es auch schon wieder dunkel um mich her. Und still.

KAPITEL 34
    Keimfreie Luft stieß in meine Nase … vertraute Geräusche drangen an meine Ohren … jemand hielt meine Hand … ich fühlte mich ganz sonderbar.
    Der Schlaf, aus dem ich allmählich erwachte, hatte so etwas Wohliges, er war wie der Schoß eines geliebten Menschen, und nur ungern entstieg ich seiner Geborgenheit, nur widerwillig trennte ich mich von seiner Wärme … irgendetwas war geschehen, ich versuchte, mich zu erinnern.
    Man hatte mich operiert, das wusste ich noch, und es war ein Routine-Eingriff gewesen, eine Kleinigkeit … langsam öffnete ich die Augen: Grelles Licht fiel auf mich nieder, tiefrotes Blut tropfte durch einen transparenten Plastikschlauch in meinen Arm. Draußen war es stockfinster, ich lag auf der Intensivstation. Im Schwarz der Fensterscheibe spiegelte sich deutlich Saal I wider, hier hatte ich häufiger schon mal gelegen …
    Natürlich! Auf einmal wusste ich es wieder: Die Operation an sich

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