Zwei Frauen: Roman (German Edition)
Assistent. »Es sind Damen im Raum.«
»Ja, ja … hat die Dame denn geraucht? – Frau Martin! – – – Haben Sie geraucht, Frau Martin?«
Gehört hatte ich diese Frage schon beim ersten Mal, doch ließ ich sie mir noch mehrfach wiederholen, bevor ich mit unschuldigem Stimmchen »Aber nein!« hauchte. Dieser Anästhesist war schon jetzt wütend auf mich, und da ich ihn nicht noch wütender machen wollte, hielt ich meine Lüge für ganz besonders klug. Merkwürdigerweise glaubte er mir aber nicht.
»Sind Sie sich da ganz sicher?«, hakte er nämlich immer wieder nach.
»Ja …«
»Sie haben nicht geraucht?«
»Nein …«
»Sie riechen aber so, als hätten Sie vielleicht doch …!«
»Nein!« , erklärte ich ein letztes Mal, jetzt nicht hauchend, sondern laut und deutlich.
»Na denn!«
Sechs Minuten und zwanzig Sekunden blieben mir noch, als der Narkosearzt die Anästhesie injizierte. Wie gewöhnlich spürte ich das Brennen in meinem Arm, in meiner Schulter, wie gewöhnlich legte sich eine bleierne Schwere auf meine Augenlider, und mein gesamter Körper wurde zum Abstraktum, wie gewöhnlich fühlte ich, wie man meinen Kopf weit nach hinten bog, meinen Mund öffnete, den Intubationsschlauch einführte … doch dann kam es zum dritten und letzten meiner Vorbeben.
»Kann ich anfangen?«, hörte ich plötzlich jemanden fragen.
»Moment …!«, sagte ein anderer, und ich spürte, wie er mein linkes Augenlid hob, ein greller Lichtstrahl schoss in mein Hirn. »… Ja!«
Panik machte sich in mir breit. »Nein!«, wollte ich kreischen, »Nein!« , denn diese Männer bemerkten offenbar nicht, dass sie im Irrtum waren, dass sie noch lange nicht anfangen konnten. Deshalb musste ich »Nein!« schreien, das war lebenswichtig, doch ich konnte es nicht. Es war wie damals bei der Endoskopie, und doch war es ganz anders. Wieder hatte ich das Gefühl, als bestünde mein ganzes Ich nur mehr aus einem winzigen Bereich in meinem Hinterkopf, als spielte sich dort mein Leben ab, als wohnten dort meine Gedanken, meine Wahrnehmungsfähigkeiten, meine Kräfte. Anders als damals wollte ich diese Kräfte jetzt aber mobilisieren, um mich bemerkbar zu machen, und das versuchte ich auch, nur kamen meine Befehle nicht an. Das machte mich fast wahnsinnig vor Angst und Verzweiflung. Ich spürte, wie man einen kalten Gegenstand in meine Scheide schob, spürte die Hand auf meinem Schambein, hörte das Aufeinanderschlagen von Metall, ich fühlte mich wie ein Tier in der Falle und wollte schreien, schreien … da durchzog auch schon ein bohrender Schmerz meinen Körper, und wie von selbst bäumte ich mich auf und stieß ein unmenschlich klingendes Geräusch aus …
»Mist!«, rief jemand aus. »Die ist ja noch da!«
Dafür hätte ich diesen Jemand umarmen können, das sollte er nie erfahren. Augenblicke später spürte ich dann neuerlich das brennende Rieseln der Anästhesie in meinem Arm, es war vorüber, ich tauchte ein in das Dunkel der Narkose.
Dass ich mich damit dem Epizentrum meines eigentlichen Bebens um ein Weiteres näherte, ahnte ich nicht.
Knappe drei Minuten blieben nur noch, genau einhundertundsechzig Sekunden, doch diese Art der Zeit gab es ja nicht im Dunkel der Narkose. Dort galten andere Gesetze, dort gab es weder Traum noch Wirklichkeit, dort schien das Leben seine Nabelschnur durchtrennt zu haben …!, so hatte ich es bisher zumindest immer empfunden. Doch an diesem 23. März 1978 um zwölf Uhr siebenundzwanzig kam es anders.
Der Countdown begann: Ich wachte auf!
Zuerst kam mir das nicht einmal ungewöhnlich vor, denn ich erwartete, in meinem sauberen Bett zu liegen und alles hinter mir zu haben.
Dann hörte ich jedoch das Klappern der Instrumente, das Piepsen des ekgs, das Auf und Nieder des Beatmungsgeräts, und diese Stimmen, laute, aufgeregte Stimmen.
»Blutdruck fällt weiter!«
»Klotz ran, Junge!«
»Hier stimmt was nicht!«
»Ich hab’ keinen Puls mehr!«
»Das geht in die Hose, verdammt!«
»Scheiße!«
»Wo kommt denn hier das ganze Blut her?«
Im gleichen Moment setzte das Piepsen des ekgs aus, und ein ohrenbetäubender Summton erklang.
»Herzstillstand!«
Es war geschehen … meine Erde bebte … das Wunder war geschehen …!
Warum das um mich her eine so große Aufregung auslöste, war mir unbegreiflich. Ich wusste, dass ich starb in diesem Moment, das wusste ich ganz genau, aber ich war glücklich darüber. Niemals hatte ich mich ähnlich wohl gefühlt, ähnlich frei. Doch das schienen
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