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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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zwanzig Minuten schilderte er mir in den düstersten Farben die möglichen Komplikationen einer Vollnarkose und malte mir zugleich pastellfarbene Aquarelle der Lumbalanästhesie. Doch ich blieb hart, und so zog er schließlich zähneknirschend von dannen.
    »Wenn das mal nur gut geht!«, waren seine letzten Worte.
    Dieser Satz klang lange in mir nach, und obwohl ich immer noch sicher war, richtig gehandelt zu haben, konnte ich nicht umhin, plötzlich so etwas wie Unwohlsein zu empfinden. Ich war von einer merkwürdigen Unruhe erfüllt, und so kam es, dass ich auf einmal den dringenden Wunsch verspürte, eine Zigarette zu rauchen. Das war verboten! Vor einer Operation durfte weder gegessen noch getrunken, geschweige denn geraucht werden! Warum das so war, wusste ich jedoch nicht, und ich hatte bisher auch noch nie darüber nachgedacht. Das tat ich erst jetzt, und das war ein verhängnisvoller Fehler. Wie jeder Mensch, der etwas will und genau weiß, dass er es nicht darf, fing ich nämlich an, mich zweizuteilen. Eva I beharrte auf dem geltenden Verbot, Eva II fand das lächerlich. Eva I war also die ängstliche Ausgabe meines Ichs, und für die hatte Eva II natürlich nur einen müden Lacher übrig.
    »Wozu sind Verbote schon da?«, meinte sie. »Nur dazu, übertreten zu werden!«
    Es dauerte nicht allzu lange, bis Eva I gar nichts anderes mehr übrig blieb, als sich dieser Überzeugung anzuschließen, zumal Eva II äußerst geschickt vorging.
    »Was für ein Verbot ist das überhaupt?«, empörte sich Eva II. »Ein unlogisches, nicht mehr! Schließlich hat schon so mancher mit randvollem Magen und nach Genuss zahlloser Zigaretten einen Unfall erlitten und die nachfolgende Operation trotzdem glänzend überstanden. Das Verbot muss also willkürlich sein! Vermutlich gehört es zu jenen, die man vor zweihundert Jahren abgefasst und aus Bequemlichkeit niemals gestrichen hat!« Damit war mein innerer Zweikampf entschieden, die Kontrahentinnen rauften sich wieder zusammen, und ich, der sichtbare »Nutznießer« dieses unsichtbar verlaufenen Zwists, ich verschwand erleichtert im Bad, um die heiß ersehnte Zigarette zu rauchen.
    Es war ein unvergleichlicher Genuss. Ich stellte fest, dass ich diesen magischen Vorgang, der den Tabak zu Asche werden ließ, noch nie zuvor mit einer ähnlichen Lust erlebt hatte. Daher war mir die eine Zigarette auch nicht genug. Vier Stunden und achtundzwanzig Minuten vor Ende des Countdown ließ ich die Kippe im Toilettenabfluss verschwinden und zündete mir knapp fünf Minuten später schon die nächste Sünde an. Auf einem Bein konnte man schließlich nicht stehen!
    Ich hockte mich in die hinterste Ecke des winzigen Badezimmers und rauchte und dachte und träumte und wünschte, und all dieses Denken und Träumen und Wünschen hatte ausschließlich mit Jan zu tun … Da stellte ich plötzlich fest, dass wir schon kurz vor elf Uhr hatten. Und Schwester Helma war immer noch nicht gekommen, um mich zu den Gynäkologen zu bringen!
    Sofort beschlich mich die Angst, man könnte den Operationstermin und damit auch mein Rendezvous verschoben haben. Diese Vorstellung war mir schrecklich, und so eilte ich ins Schwesternzimmer, um entsprechende Erkundigungen einzuholen.
    Helma beruhigte mich. »Abblasen tun die so was nicht!«, meinte sie. »Aber wer weiß?! Vielleicht ist ein Notfall dazwischengekommen.«
    Da die gute Helma nicht betroffen war, kam es ihr auf ein paar Minuten mehr oder weniger nicht an. Für mich sah das anders aus. Meine Sehnsucht nach Jan wurde mit jedem Moment größer, den ich auf unser Wiedersehen warten musste, und diese Warterei zerrte an meinen Nerven, und je nervöser ich wurde, desto schneller griff ich zu einer weiteren Zigarette, und zu noch einer, noch einer …
    Als ich mich dann endlich mit verwickelten Beinen, Totenhemd und der obligatorischen Beruhigungsspritze im Hintern im Vorbereitungsraum des gynäkologischen Operationssaals wiederfand, hatte ich stramme zehn Lungenbrötchen intus und nur noch siebenunddreißig Minuten Zeit. Elf Uhr fünfzig zeigte die Uhr an der Wand, aber das nahm ich nicht einmal wahr. Ich war mit ganz anderen Dingen beschäftigt als mit meiner Zeit. Da ich die Letzte auf dem OP -Plan war, hatte ich den Vorbereitungsraum ausnahmsweise mal ganz für mich allein. Das war nicht nur angenehm, sondern auch sehr aufschlussreich, denn wie ich feststellte, brauchte ich unter diesen Umständen nur ganz genau hinzuhören, um jedes einzelne Wort zu

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