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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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verstehen, das in den nebenan gelegenen Operationssälen gesprochen wurde. Zu meiner Rechten ging es um Sex.
    »Habt ihr gestern diesen Spätfilm gesehen?«, erkundigte sich da einer der Ärzte, während er an irgendeinem Organ herumschnitt. »Über den hätte ich mich ausschütten können, Klemme!«
    »Puls und Atmung normal!«, meinte sein Kollege.
    »Worum ging es denn da?«
    »Oh, da waren ein Mann und eine Frau in einem Eisenbahnabteil«, erzählte der Chirurg, »und dieser Mann und diese Frau, … na, eigentlich haben die unentwegt gepimpert, Tupfer! Die ganze Zeit haben die gepimpert. Königlich, sage ich euch, einfach königlich, mal gerade wegsaugen, bitte!«
    Ich fand das ungemein amüsant, drehte aber trotzdem den Kopf zur anderen Seite, um auch dort mal »hineinzuhören«.
    »Meine Güte«, erklärte da ein junges Stimmchen, »die hat ja vielleicht eine Speckschwarte, die gute Frau!«
    »Wie ein Mastschwein!«, klang es zurück. »Das können Sie dann gleich nähen, damit Sie wissen, was eine Strafe ist.«
    »Das hält aber doch nicht!«
    »Natürlich hält das nicht, mein lieber Junge. Aber was meinst du, wie schlecht das erst mal heilt. Vier Wochen wird die bestimmt liegen. Klemme!«
    Von mir aus hätte das noch stundenlang so weitergehen können. Abgesehen davon, dass ich hoffte, irgendwann auch mal Jans Stimme zu hören, entspannte mich diese oberflächliche Heiterkeit. Ich bekam Ohren wie ein afrikanischer Steppenelefant, lauschte und kicherte, und als schließlich die Schwester kam, um mich Richtung OP zu schieben, war ich richtig ärgerlich. Zu gern hätte ich noch gehört, wie das Zunähen der offenbar beleibten Patientin verlief und wie der Spielfilm am Vorabend zu Ende gegangen war – doch das war mir nicht mehr vergönnt. Zum Ausgleich wurde ich im Operationssaal äußerst herzlich empfangen.
    »Das Fräulein Martin von S 1!«, begrüßte mich ein junger Assistenzarzt, den ich von früheren Untersuchungen kannte. »Zum wievielten Mal wird uns denn die Ehre zuteil?«
    Ich lächelte nur, denn es war mir zu mühsam, das auszurechnen, und außerdem hatte ich wichtigere Dinge zu tun: Ich suchte Reinders, deshalb war ich schließlich hier. Erwartungsvoll ließ ich meine Blicke schweifen. Irgendwo musste er sein. Mit seinen fast zwei Metern Länge war er eigentlich nicht zu übersehen! Erst als ich ihn nach etwa fünf Minuten immer noch nicht entdeckt hatte, wurde ich unruhig und fragte den freundlichen Assistenten, wo denn sein Oberarzt bliebe.
    »Weg!«, erhielt ich zur Antwort.
    »Weg?«
    »Er hat nebenan zu tun.«
    »Wo nebenan?«
    »Da!« Er wies mit der Hand auf eine der angrenzenden Türen, und mir wurde plötzlich ganz elend zumute.
    Reinders wollte mich nicht sehen – diese Möglichkeit hatte ich bisher noch gar nicht in Betracht gezogen. Mir war bis zu diesem Moment völlig entfallen, dass er und ich ja im Streit auseinander gegangen waren, dass er unmöglich wissen konnte, welch zarte Bande ich seither innerlich zu ihm geknüpft hatte, und dass er das unter Umständen auch gar nicht wissen wollte. »Gelobt sei der Tag meiner Wiedergeburt! Wenn ich noch mal zur Welt komme, dann nur als Frau, mit leerem Kopf lebt es sich leichter!« Mir war plötzlich, als wäre es erst gestern gewesen, dass er diese Worte zu mir gesagt hatte, und deshalb fühlte ich mich auf einmal hundeelend.
    »Holen Sie ihn bitte!«, jammerte ich und zog dabei am grünen Kittelchen des nunmehr recht verdutzten Assistenten.
    »Warum denn?«, erkundigte er sich.
    »Er soll mich operieren!«
    »Der Oberarzt?« Der junge Mann lachte laut, »Aber ich bitte Sie, Frau Martin, für Blinddarm und Abrasio ist überall der Pförtner zuständig!«
    Das war das zweite Vorbeben an diesem 23. März 1978. Der Pförtner! Dieses eine Wort drängte alles andere in den Hintergrund. Über diesen Scherz konnte ich nicht lachen. Der Pförtner!!! Mein Herz schlug unnatürlich laut, ich hatte auf einmal Angst, und es kostete mich große Mühe, diese Angst zu unterdrücken. Bewusst atmete ich tief durch, zwang mich zu innerer Ruhe und Entspanntheit …! Die Uhr im OP zeigte zwölf Uhr fünfzehn, in genau zwölf Minuten war es so weit. Niemand wusste das in diesem Moment, nur der Narkosearzt schien eine Ahnung zu haben, denn er brummte unwirsch vor sich hin, während er meine Herztätigkeit und meinen Kreislauf kontrollierte, und abschließend meinte er sogar: »Das ist jetzt schon was für den Ar-«
    »Schschsch!«, flüsterte der junge

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