Zwei Geschichten von der See
Klavierstimmer aufzutreiben ist …«
Geir Matos lachte:
»Damit beleidigen Sie die gesamte Bevölkerung eines Staates und verachten die Kultur einer Hauptstadt. Wenn der Senator das hörte …«
»Aber haben Sie schon so was gehört, Geir? Das Klavier stimmen lassen … Der Pianist hat das nie für notwendig befunden. Drei Jahre fährt er mit uns, hackt tagtäglich auf dem Ding herum und hat sich nie darüber beschwert. Und schon kommt dieser Lebensmittel-Käpt’n und will plötzlich einen Klavierstimmer. Er ist wütend, weil ich in Recife keinen besorgt habe … Er hat mir gehörig die Leviten gelesen.«
»Und warum haben Sie in Recife keinen bestellt? Befehl vom Kommandanten ist Befehl … Sehen Sie zu, dass Sie in Natal einen bekommen.«
»Auch von einem Operettenkapitän, der wie ein verliebter Gockel eine alte Schachtel an Deck herumschleift? Denn wenn der Pianist sagt, das Klavier brauche nicht …«
»Hören Sie zu, alter Freund: Der Kapitän mag sein, wie er will. Er ist der Kapitän, den wir gekriegt haben, er war der Einzige, der in Bahia zu finden war. Aber eines steht fest: Die alte Schachtel, die übrigens Klavierlehrerin ist und ihr Handwerk versteht, ich, der kleine Pfaffe, der da draußen herumläuft, ein Heizer oder ein x-beliebiger Matrose der Besatzung, wir alle verstehen vom Klavierspiel mehr als Ihr Herr Pianist. Ich möchte glauben, dieser Bursche hat noch nicht einmal Grammophon gespielt, bevor er an Bord kam. Wenn er auf die Tasten einhämmert, ist das ein reiner Albtraum, Freundchen. Übrigens, Schiffsarzt und Schiffspianist … Sehen Sie sich unseren Arzt an: Hätte der keinen Heilgehilfen zur Seite, er wäre nicht imstande, ein Klistier zu verschreiben …«
»Sie haben recht. Nach diesem Kapitän braucht man sich wirklich über nichts mehr zu wundern. So beschissen kann nicht mal der Lloyd …«
»Was wollen Sie, der Kapitän macht doch eine tadellose Figur! Können Sie das etwa leugnen? Mit seinem Orden auf der Brust, stets das Glas um den Hals gehängt … Sie sind ein Griesgram, weiter nichts. Machen Sie’s wie ich: Sehen Sie die Sache von der komischen Seite! Ich lache mich schief und werde mich noch viel schiefer lachen …« Dabei krümmte er sich im Vorgenuss vor Lachen.
»Was hecken Sie aus, wenn man fragen darf?«
»Kümmern Sie sich um Ihren eignen Kram, und überlassen Sie alles andere mir. Und besorgen Sie einen Stimmer, den besten von Natal.«
Dieses Zwiegespräch auf der Brücke war das Ergebnis der ernsthaften Ermahnung des Kommandanten an den Zahlmeister in Sachen Klavier. Hatte er ihm nicht aufgetragen, als das Schiff in Recife anlegte, einen Stimmer kommen zu lassen, der imstande war, das Klavier spielbar zu machen? Im Vertrauen darauf und in der Hoffnung, dass sein Befehl befolgt werden würde, war er an Land gegangen. Trotzdem hatte Senhorita Clotilde, eine vorzügliche Pianistin, eine ausgebildete Lehrerin, Meisterin in Chopin, Opernarien und den schwierigsten Stücken, ihm gesagt, das Klavier sei auch so nichts als ein alter Blechkasten. Um einen Samba und läppische Tanzmusik darauf herunterzuhacken, mochte es angehen. Die jungen Leute hörten gar nicht, dass das Instrument verstimmt war, und wollten nichts anderes als engumschlungen übers Parkett gleiten. Aber hat eine echte Künstlerin wie Clotilde kein Recht auf ein anständig gestimmtes Klavier, ist die
Costeira
nicht verpflichtet, ihr ein sauber gestimmtes Instrument zur Verfügung zu stellen?
»Die alte Schachtel ist reichlich anspruchsvoll, Herr Kapitän. Noch auf der letzten Reise hat ein Pianist aus São Paulo ein Bordkonzert gegeben und kein Wörtchen über das Klavier verloren …«
Der Kommandant platzte empört heraus:
»Ich darf Sie bitten, Herr Zahlmeister, von den Fahrgästen mit Respekt zu sprechen. Vor allem gebrauchen Sie keine derben Ausdrücke! Was den Pianisten aus São Paulo betrifft, so wird er irgendein Schnorrer gewesen sein … Und in Natal besorgen Sie mir gefälligst einen Stimmer, und zwar endgültig!«
Alte Schachtel … Ein haarsträubender Mangel an Respekt, ein Grobian … Natürlich war sie kein Backfisch mehr, aber alt war sie auch nicht, sie hatte siebenunddreißig Jahre zugegeben, ein paar Jahre weniger, als der Kommandant geschätzt hatte. Er hätte ihr etwa fünfundvierzig gegeben, somit waren sie fünfzehn Jahre auseinander, denn er hatte ja bereits seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert, so dass der Unterschied nicht so groß war. Als sie im
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