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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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gespeist, wenn nur Seeleute um den irdenen Topf herumsaßen, brauchte er nicht auszulaufen. Die Nachricht von Quincas’ Tod hatte ihn von Anfang an nicht überzeugt, und so war er wenig erstaunt, ihn Arm in Arm mit Quitéria zu sehen. Der alte Seemann konnte doch nicht an Land sterben, in irgendeinem Bett.
    »Ist noch Rochen für alle da …«
    Sie hissten die Segel, holten den großen Stein ein, der als Anker diente. Der Mond verwandelte das Meer in einen Weg aus Silber, und auf dem Hügel hinter ihnen lag die schwarze Stadt von Bahia. Das Boot entfernte sich langsam vom Land. Maria Claras Stimme erhob sich zu einem Seemannslied:
    »Am Meeresgrunde fand ich dich
    gewandet ganz in Muscheln …«
    Sie setzten sich um den dampfenden Topf. Die Tonteller wurden gefüllt. Rochen, so duftig man ihn denken kann, Moqueca, gewürzt mit Palmöl und Pfeffer. Die Schnapsflasche machte die Runde. Der Gefreite Martim verlor niemals den Überblick, er hatte die Notwendigkeiten stets im Auge. Selbst als Oberbefehlshaber bei der Schlägerei war er noch geistesgegenwärtig genug gewesen, ein paar Flaschen mitgehen zu lassen, versteckt unter den Kleidern der Frauen. Nur Quincas und Quitéria aßen nicht: Sie lagen am Heck des Schiffs und lauschten Maria Claras Lied, und die Schöne von den Aufgerissenen Augen flüsterte dem alten Seemann Liebesworte zu.
    »Was jagst du uns bloß so einen Schrecken ein, Schreierchen, du Nichtsnutz? Du weißt doch, dass ich ein schwaches Herz habe, der Arzt hat gesagt, ich soll mich nicht aufregen. Was dir nur immer einfällt, wie soll ich ohne dich leben, du Teufelsbraten? Hab mich doch an dich gewöhnt, an das verrückte Zeug, das du redest, und dass du so ein schlauer Alter bist und so tapsig und so gutmütig. Warum hast du mir das angetan?« Und sie hielt ihm den Kopf, der bei der Schlägerei gelitten hatte, und küsste ihm die schelmischen Augen.
    Quincas antwortete nicht: Er sog die Meeresluft ein, hielt eine Hand ins Wasser, zog eine Furche durch die Wellen. Am Anfang des Fests war alles Ruhe: die Stimme von Maria Clara, das köstliche Fischessen, die Brise, die allmählich zum Wind wuchs, der Mond am Himmel, das Flüstern Quitérias. Doch von Süden kamen unerwartete Wolken und verschluckten den Vollmond. Die Sterne begannen zu erlöschen, der Wind wurde kühl und gefährlich. Mestre Manuel warnte:
    »Das wird eine stürmische Nacht, besser, wir kehren um.«
    Er wollte das Boot in den Hafen bringen, bevor der Sturm losbrach. Doch der Schnaps war mild, das Gespräch ein Genuss, im Topf schwamm noch eine Menge Rochen im gelben Palmöl, und die Stimme Maria Claras verbreitete eine Schwermut, einen Wunsch, auf den Wassern zu weilen. Und außerdem, wie hätte man die Idylle zwischen Quincas und Quitéria unterbrechen sollen in dieser festlichen Nacht?
    So kam es, dass der Sturm, das Heulen des Windes, die aufgewühlten Wasser sie noch unterwegs erwischten. Die Lichter von Bahia strahlten in der Ferne, ein Blitz durchschnitt die Dunkelheit. Der Regen begann zu fallen. An seiner Pfeife ziehend trat Mestre Manuel ans Steuerruder.
    Niemand weiß, wie Quincas auf die Beine kam, auf einmal lehnte er am kleinen Segel. Quitéria wandte die verliebten Augen keine Sekunde von der Gestalt des alten Seemanns, von seinem Lächeln angesichts der Wellen, die das Boot überspülten, und der Blitze, die in der Schwärze leuchteten. Frauen und Männer hielten sich an Tauen fest, klammerten sich an die Reling, der Wind pfiff, die Nussschale drohte, jeden Augenblick zu kentern. Maria Claras Stimme war verstummt, sie stand neben ihrem Mann am Steuerruder.
    Schwall um Schwall spülte über das Boot hinweg, der Wind zerrte an den Segeln. Nur das Licht von Mestre Manuels Pfeife hielt stand, dazu die Gestalt von Quincas, aufrecht, umgeben vom Unwetter, ungerührt und majestätisch, der alte Seemann. Langsam und unter Mühen näherte sich das Segelboot den zahmen Wassern hinter der Mole. Noch ein Stückchen, und das Fest würde wieder beginnen.
    Es geschah, als fünf Blitze hintereinander über den Himmel zogen, Donnerschlag erscholl, als wollte die Welt enden, eine Woge ohne Maß hob das Boot aus den Wellen. Schreie entrangen sich den Kehlen der Frauen und Männer, die dicke Margô rief:
    »Gütige Mutter Gottes!«
    Inmitten des Krachs, des Meeres in Aufruhr, des Schiffes in Not, im Widerschein der Blitze sahen sie, wie Quincas sich über Bord warf, und hörten seine letzten Worte.
    Das Boot erreichte die ruhigen Wasser

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