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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Maria Clara und Quitéria und manchmal auch die wissenschaftlichen Entdeckungen eines von Flinkfuß’ Kunden. In der Freude über seine Ruhmestat drückte der Wissenschaftler seinem »bescheidenen Mitarbeiter« schon mal einen Fünfhunderter-Schein in die Hand. Quincas’ Geburtstag hingegen feierten sie zum ersten Mal, da musste das schon ordentlich erfolgen. Sie gingen die Ladeira do Pelourinho hinauf, unterwegs zu dem Haus, in dem Quitéria wohnte.
    Merkwürdig: Wo blieb der Lärm aus den Kneipen und Freudenhäusern von São Miguel? In dieser Nacht war alles anders. Hatte es eine unerwartete Razzia gegeben, hatte die Polizei die Bordelle geschlossen, die Bars zugesperrt? Hatten die Beamten Quitéria mitgenommen, Carmela, Doralice, Ernestina, die dicke Margarida? Standen sie etwa kurz davor, in einen Hinterhalt zu geraten? Der Gefreite Martim übernahm die Leitung der Operation, Sperling ging sich umsehen.
    »Du sondierst das Gelände«, erklärte der Gefreite.
    Sie setzten sich auf die Stufen der Kirche am Platz, um dort zu warten. Eine Flasche war noch zu leeren. Quincas legte sich hin, sah zum Himmel hoch, lächelte im Mondschein.
    Als Sperling wiederkam, begleitete ihn eine lärmende Gruppe, die Lebehoch- und Hurrarufe ausstieß. Mit Leichtigkeit erkannte man als eine der Ersten die majestätische Gestalt Quitérias von den Aufgerissenen Augen, ganz in Schwarz, ein Tuch um den Kopf, eine untröstliche Witwe, gestützt von zwei anderen Frauen.
    »Wo steckt er? Wo steckt er?«, rief sie freudig erregt.
    Sperling beeilte sich, lief die Stufen hoch, in seinem abgewetzten Frack glich er einem Volksredner, als er erklärte:
    »Die Nachricht machte die Runde, Quincas Wasserschrei hätte das Zeitliche gesegnet, alle waren am Trauern.«
    Quincas und seine Freunde lachten.
    »Hier ist er, meine Lieben, und er hat heute Geburtstag, wir feiern schon, nachher gibt’s noch Fisch auf dem Boot von Mestre Manuel.«
    Quitéria von den Aufgerissenen Augen befreite sich aus den solidarischen Armen Doralices und der dicken Margô, um auf Quincas zuzustürzen, der jetzt neben Pastinha auf einer der Stufen vor der Kirche saß. Doch da verlor sie das Gleichgewicht, ohne Zweifel überwältigt von der Rührung des Augenblicks, und landete mit dem Hintern voraus auf dem Pflaster. Sofort half man ihr hoch und führte sie zu Quincas:
    »Du Gauner! Du Hund! Du Nichtsnutz! Was hast du angestellt, dass alle sagen, du wärst tot, und wir bekommen einen solchen Schreck?«
    Lächelnd setzte sie sich neben Quincas, fasste seine Hand, legte sie sich auf die mächtige Brust, damit er den Schlag ihres geschundenen Herzens spüre:
    »Ich wäre fast gestorben wegen der Nachricht, und du ziehst hier um die Häuser, du Tunichtgut. Dir kann doch keiner das Wasser reichen, Schreierchen, du Teufelskerl, dir fällt immer was Neues ein. Nein, wirklich, Schreierchen, du bringst mich noch ins Grab …«
    Die Gruppe kommentierte das alles unter Gelächter; in den Kneipen setzte der Lärm wieder ein, das Leben war zurückgekehrt auf die Ladeira de São Miguel. So gingen sie zu Quitéria. Sie sah prächtig aus, ganz in Schwarz gekleidet, niemals war sie begehrenswerter gewesen.
    Während sie die Ladeira de São Miguel hochgingen, unterwegs zum Dirnenhaus, trafen sie auf die verschiedensten Sympathiebekundungen. Im »Flor de São Miguel« spendierte ihnen der Deutsche Hansen eine Runde. Weiter vorne verteilte der Franzose Verger afrikanische Amulette an die Frauen. Mitkommen konnte er nicht, er musste in dieser Nacht noch etwas für einen Heiligen tun. Die Puffs öffneten wieder ihre Türen, die Frauen erschienen in den Fenstern und auf den Gehsteigen. Wo immer die Gruppe vorüberzog, riefen Stimmen nach Quincas, ließen ihn hochleben. Er dankte mit einem Kopfnicken, wie ein König, der zurückkehrt in sein Reich. In Quitérias Haus war alles Trauer und Schmerz. In ihrem Schlafzimmer, auf der Kommode, neben einem Abbild des Herrn vom Guten Ende und einer Lehmfigur des Caboclo Aroeira, ihres geistigen Führers, prangte das Konterfei von Quincas, ausgeschnitten aus einer Zeitung – aus Giovanni Guimarães’ Serie von Reportagen über »den Bodensatz des Lebens von Bahia« –, zwischen zwei brennenden Kerzen, darunter eine rote Rose. Schon hatte ihre Hausgenossin Doralice eine Flasche geöffnet und schenkte allen ein, in blaue Kelche. Quitéria löschte die Kerzen, Quincas lehnte sich im Bett zurück, die anderen gingen hinüber ins Wohnzimmer. Nicht lange,

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