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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Einen Mann wie den mag jede Frau …«
    »Nur zum Zuhören, oder auch …!?«
    Sie biss sich auf die Lippen und lachte schwach:
    »Wer weiß, vielleicht auch …«
    War ihr der Richter nicht genug, der Schamlosen? Aber schon zupfte sie mich an den Haaren und raunte ganz nahe an meinem Ohr:
    »Erzähl mir noch eine Geschichte von ihm, aber eine mit einer feschen Biene dabei, mitten auf dem Meer, erzähl, Schatz, los, erzähl …«
    Ich schwöre, dass sie an den Kommandanten dachte. Der Teufelsbraten!
    Wie der Sturm nach den Feierlichkeiten des zweiten Juli losbrach, oder die Rückkehr des Banditen mit Anklagen gegen den jungen Mann
    Und plötzlich, an einem jener vollkommenen Wintertage mit leuchtendem reingefegtem Himmel und ruhigem Meer, als die Natur mit den Menschen im Frieden lebte, brach der Sturm los.
    Bald nach dem zweiten Juli, der in jenem Jahr in Periperi mit außergewöhnlichem Glanz gefeiert wurde. Bisher hatte sich die Begehung des Bahianer Nationalfeiertags auf einen Festakt der Volksschule mit einer Rede des Herrn Lehrers, das Absingen vaterländischer Lieder durch schrille, falsche Kinderstimmen beschränkt. Abgesehen davon war es stets ein toter Tag gewesen, da jeder Einwohner sich an andere Zweite-Juli-Feiern aus der Stadt erinnerte, mit dem Zug der Caboclos, der Wäldler, den Feierlichkeiten auf der Praça da Sé, auf dem Campo Grande und dem Feuerwerk.
    In jenem Jahr jedoch stellte sich der Kommandant als unbestrittene Autorität auf dem Gebiet der vaterländischen Bürgerpflichten an die Spitze des Festausschusses. Er hatte bereits das Johannifest durch folgende Maßnahmen gänzlich umgestülpt: Er ließ statt der früheren Fünf-Milréis-Note einen nagelneuen Zwanzig-Milréis-Schein auf den hohen Klettermast heften; er erhöhte die Zahl der kindlichen Wettbewerbe und der Preise für die Gewinner; er veranstaltete ein Fest für die Armen im Haus der Esmeraldina, einer halb durchgedrehten Weißnäherin, die nichts lieber tat als singen und tanzen, heiraten und auseinandergehen, einer Art
femme fatale
der Arbeiter und Fischer, die ein beträchtliches Aktivum an Zank, Messerstechereien und tödlichen Drohungen auf dem Kerbholz hatte. Bei ihr floss der Schnaps in Strömen, Harmonika und Gitarre seufzten die liebe lange Nacht, und der Lärm wurde betäubend, als gegen elf Uhr der Kommandant in seiner Galauniform auftauchte, hinter ihm Zequinha Curvelo – der jetzt auch Pfeife rauchte, um sich über den Verlauf des Festes zu orientieren.
    Er war am zweiten Juli gewissermaßen in seiner Galauniform erwacht, auch seine Seele trug das Galagewand patriotischer Glut. Wie er entdeckt hatte, dass Caco Podre in seinen guten Zeiten Offiziersstellvertreter des Heeres gewesen war, weiß niemand. Vielleicht verdankte er es seiner Gewohnheit, mit allen Leuten zu reden, geduldig Vertraulichkeiten und Erinnerungen anzuhören und über Probleme zu diskutieren. Das Ergebnis war jedenfalls, dass die Bevölkerung von Periperi an jenem zweiten Juli bei Sonnenaufgang von beängstigenden Trompetenstößen erwachte. Es war Caco Podre, der auf dem Stadtplatz mit der Begeisterung eines Menschen, der die verlorenen Jugendjahre zurückruft, das Wecken blies, während der Kommandant Zequinhas Hilfe in Anspruch nahm, um die brasilianische und bahianische Flagge an dem zum Fahnenmast beförderten Kletterbaum zu hissen. Mochten die Akkorde nicht mehr ganz rein sein, mochte sich Caco Podres musikalisches Gedächtnis getrübt haben – wer achtete auf so geringfügige Nebensächlichkeiten? Die Rentner und privatisierenden Kaufleute fuhren aus ihren Betten auf: Was zum Teufel sollte das bedeuten, was ging nur vor? Sie spitzten die Ohren, die Trompetenstöße zerrissen die morgendliche Stille, sie weckten die Sonne des zweiten Juli, die – wie das berühmte Lied behauptet – »an diesem Tag brasilianisch ist und heller scheint als am ersten Schöpfungstag«.
    Das klingt ja wie bei einer Mobilmachung, dachten die Einwohner erschrocken. Ob das Revolution bedeutete? Die Zeitungen strotzten ja von Gerüchten. Sicher war die Revolution ausgebrochen, denn gleich darauf erschütterte heilloser Kanonendonner die Grundfesten von Periperi. Es waren Raketen, die in der Luft platzten, die Geschützsalven waren Böllerschüsse, abgefeuert unter dem Kommando Cacos, der seinem Kanonier, dem anderen Gepäckträger vom Bahnhof, befahl:
    »Einundzwanzig! Das genügt!«
    Ängstliche Mienen tauchten an den Fenstern auf, Gesichter, in denen noch

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