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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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meiner Betrachtungen, zurückzukommen: Ich setzte das Problem Telêmaco Dórea, dem Dichter der Avantgarde, auseinander. Unsere jüngst noch gespannten Beziehungen hatten sich verbessert. Er hatte mich nämlich aufgesucht, um mich voller Betulichkeit und Liebenswürdigkeit zu einem Sonett – haargenaue Alexandriner, Gott sei Dank! – zu beglückwünschen, das ein Freund von mir, ein kluger, strebsamer junger Mann, in seinem Zeitungsblättchen veröffentlicht hatte.
    Es gibt Leute, die in ihm einen Erpresser sehen und ihm nachsagen, er entreiße der arbeitsamen spanischen Kolonie Geld und ziehe wütend gegen Geschäftsleute vom Leder, die sich weigern, in seiner Zeitschrift zu annoncieren. Ich halte die Sache für reine Ränkesucht, Telêmaco goutierte mein Sonett wirklich und sparte kein Lob. Er verglich mich mit Pethion de Vilar und Artur de Sales, seine spontane Anerkennung meiner poetischen Ader rührte mich. Ich war ergriffen und umarmte ihn. Er ist kein schlechter Kerl. Nur etwas unbeherrscht und gelegentlich übelrednerisch, aber sollte diese Bitterkeit nicht das Ergebnis seiner finanziellen Schwierigkeiten sein? Er erhält nur eine erbärmlich niedrige Pension, von der er nicht leben und nicht sterben kann. Begabung ist ihm keinesfalls abzusprechen, und wenn er seine Manie des Futurismus aufgäbe, könnte er sicherlich gute Verse schreiben.
    Ich setzte ihm meine Sorge über die Haltung auseinander, die die Bevölkerung Periperis in der ersten Phase des Kampfes zwischen dem Kommandanten und Chico Pacheco eingenommen hatte. Telêmaco war mit dem Hochverdienten nicht einverstanden: »Was versteht denn dieser Quadratesel vom menschlichen Verhalten?« Nach seinem eigenen Urteil waren die sichtbaren Beweise – Patente, Seekarten, Chronometer – nicht der Grund für die dem Kommandanten geleistete Unterstützung. So einfach, so leicht lägen die Dinge nicht, auch mäßen die Menschen greifbaren Beweisen keinen so großen Wert bei. Was sie indessen veranlasste, dem Kommandanten die Stange zu halten und Chico Pachecos gefährlicher Zunge die Spitze zu bieten, war das Bedürfnis, dass sie alle, die anspruchslosen, schüchternen Rentner und Privatiers, nach einem eigenen Anteil an Abenteuer, einem eigenen Quäntchen Heldentum empfanden. Ein Mensch mag noch so umsichtig, sein Leben noch so maßvoll sein, aber in ihm lebt eine Flamme, bisweilen nur ein Fünkchen, das sich zu gegebener Stunde in einen Feuerbrand zu verwandeln vermag. Und diese Flamme fordert, dass ihr Besitzer der Mittelmäßigkeit und damit dem kleinlichen Einerlei der dumpfen Tage entfliehe, selbst wenn dies nur mit Hilfe einer gehörten Geschichte oder eines gelesenen Buches geschieht. In den Abenteuern des Kommandanten, in seinem wagnisreichen, tollkühnen Leben, fanden sie die Gefahren, die sie nicht bestanden, die Kämpfe und Schlachten, die sie nicht geschlagen, die betörenden Liebschaften, die sie – ach! – nicht erlebt hatten.
    Was konnte Chico Pacheco ihnen dagegen bieten? Etwa die Finten eines Rechtsstreites gegen den Staat? Hätte es sich um einen Strafprozess gehandelt mit Toten, mit einer ehebrecherischen Frau und einem verruchten Liebhaber, mit Messerstichen oder Schüssen, mit einem aufregenden Geschworenengericht, mit Staatsanwalt und Strafverteidiger, mit Eifersucht, Hass und Liebe, dann hätte er vielleicht eine Chance gehabt … Diese verschleppte Pensionsstreitigkeit war jedoch so gut wie nichts im Vergleich zu dem vielen, was sie brauchten, zu ihrem schrecklichen Mangel an echtem, tiefen Leben. Der Kommandant beschenkte sie eben weitherzig mit menschlicher Größe, darin lag das Geheimnis seines Erfolgs.
    Ich gestehe, all das reichlich verwickelt und verworren, außerdem etwas anmaßend zu finden. Aber Telêmaco Dórea ist nun einmal so geartet, wenn er auch im Grunde kein schlechter Kerl ist. Er bediente mich mit einer zusätzlichen Lobhudelei, borgte sich bei mir zweihundert Cruzeiros für seinen Lebensunterhalt während der nächsten zwei Tage aus – und fort war er.
    Ich hatte die Angelegenheit gerade Dondoca erklärt, in ihrem warmen Bett, in dem ich abends den Hochverdienten ersetze, zwar ohne seine hohen geistigen Verdienste, dafür aber durch gewisse körperliche Vorteile. Der kleine Schelm lachte sein geziertes Lachen:
    »Der Kommandant mag alt sein, hat aber noch immer seine Reize. Ich mag seine Stimme, seine hübschen Augen und seinen Haarschopf. Es muss schön sein, neben ihm zu liegen und ihm zuzuhören.

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