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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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stinkvornehm war und eine heruntergekommene Fazenda besaß. So hatte er sich in eine Begeisterung hineingesteigert, hofierte nun die Eltern und umgarnte die Tochter.
    Aber die Enttäuschung ließ nicht auf sich warten, und zwar in Form eines verhängnisvollen Walzers. Er hatte das junge Mädchen zum Tanz aufgefordert, und im Verlauf des »Ballgeflüsters« kamen sie auf die bevorstehende Verlobung und Hochzeit eines anderen jungen Mädchens zu sprechen. Dabei machte Madalena ihn mit einer einzigen Bedingung vertraut, die derjenige zu erfüllen habe, der sie (das Klappergestell) zum Altar zu führen beabsichtige: Der Bewerber musste einen Titel oder ein Patent haben. Dabei verzichtete sie auf ein Adelsprädikat, wenn auch ein Marquis oder ein Baron erstrebenswert, aber kaum zu erhoffen war in einer Republik, die den armen Kaiser, mit dem ihr Großvater befreundet gewesen war und sogar im Briefwechsel gestanden hatte, schmählich verraten hatte. Sie meinte republikanische Titel, akademische, einen Doktorgrad, ein Offizierspatent des Heeres oder der Marine. Keinesfalls würde sie einen Hans Niemand heiraten, sie, die Enkelin eines Barons, Tochter eines Amtsrichters, um die gedemütigte Frau eines »Seu« Dingskirchen, eines »Seu« Dingsbums, eines »Seu« Dingsda zu sein. Sie wollte eine Frau Doktor, Frau Hauptmann oder Frau Kapitän werden. Auf das Geld kam es ihr nicht einmal so sehr an, dafür aber umso mehr auf die Familie, auf den Namen. Darunter tat sie’s nicht.
    Vasco kam aus dem Takt und machte ein paar falsche Schritte, er erblasste und wurde zusehends kleiner. Er hatte die Unterhaltung auf dieses Thema gelenkt, um sich dem jungen Mädchen überhaupt bemerkbar zu machen, und schon warf ihm das eitle Gestell aus Haut und Knochen seinen Stand eines »Hans Niemand«, eines »Seu« Dingsda vor und sprach von dem Bürgerstand mit der größten Geringschätzung. Dabei war er gar nicht dazu gekommen, sich ihr als Anwärter zu erkennen zu geben, er wurde einfach rot, blieb stecken und tanzte stumm wie ein Grab und mühsam bis zum Schlussakkord des Walzers weiter. Und seine Traurigkeit wuchs.
    Denn seine Traurigkeit hatte ihren einzigen, ausschließlichen Grund in der Tatsache, dass kein Titel seinem Namen vorausging. Warum warf er sich dann nicht auf die Eroberung Dorothys, die sich mit Roberto nur wegen seines Geldes eingelassen hatte? Vasco konnte ihr viel mehr Geld, einen ganz anderen Komfort, ein eigenes Haus in Aussicht stellen, abgesehen von einem bequemen Leben mit Festen, Ausfahrten, Abendgesellschaften und Champagner. Und gar nicht zu reden davon, dass er sie von dem fetten Schwein Roberto erlöste, der ihr im Busenausschnitt herumfummelte, sie an sich drückte, sich mit ihr im Bett wälzte. Denn Vasco schmachtete nach Dorothy, nach ihr verzehrte sich sein klopfendes Herz, nachts stellte er sie sich nackt vor, er sah ihre schwellenden Brüste, die strammen Schenkel, den runden Hintern, den samtweichen Bauch. Warum entriss er sie dann nicht Robertos Armen? Aus Angst? Ja, aus Angst vor Roberto. Aber nicht aus körperlicher Angst, vor seinem Fettwanst hatte er keinen Bammel; ein Mann, der eine Frau schlägt, ist immer ein Feigling und nicht der Mann, einem anderen Mann die Stirn zu bieten. Wer würde es auch wagen, sich Vasco Moscoso de Aragão zu stellen, dem Freund Doktor Jerônimos, dessen Wort auf der Polizei Evangelium war und der über Soldaten und Seeleute verfügen konnte, wenn ihm der Sinn danach stand? Er brauchte dem Oberst und dem Hafenkommandanten nur ein Wörtchen zu sagen.
    Es war eine andere Art der Angst, geboren aus der Hochachtung des Kaufmanns vor dem akademisch gebildeten Herrn Doktor, der ein glänzender Arzt war, den Ring seines akademischen Grades trug und eine wissenschaftliche These verteidigt hatte. Niemals würde Vasco den Abstand einholen können, der ihn von den Herren Doctores trennte. Im Vergleich zu ihnen war er ein bescheidenes Würstchen und konnte sich nie im Leben mit ihnen messen.
    Das war der unerklärliche Grand für seinen melancholischen Gesichtsausdruck, für seinen unentwegten Kummer, der seine Freude zernagte und seine Freunde beunruhigte. Für Vasco bildeten die Männer mit Titel oder Patent eine Kaste für sich, sie standen über den anderen Sterblichen, sie waren höhere Wesen.
    Vasco fühlte seine Unterlegenheit in jedem Augenblick. Wenn er die Pension Monte Carlo betrat, begrüßte Carol ihn zärtlich mit »Seu Aragãosinho«, nachdem sie die anderen vier mit

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