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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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»Herr Oberst«, »Herr Doktor«, »Herr Kapitän« und »Herr Leutnant« willkommen geheißen hatte. Wenn ein neues Frauenzimmer entdeckt und dem Freundeskreis am Tisch eines Kabaretts oder im verschwiegenen Wohnzimmer eines Bordells zugeführt worden war, fragte sie, nachdem sie sich über den Stand der anderen erkundigt hatte, Vasco nach seinem Titel oder machte sich anheischig, ihn zu erraten:
    »Lassen Sie, ich werde es erraten … Sie sind Major, das möchte ich schwören.«
    Wenn er und seine Gruppe auf der Regierungstribüne vom Gouverneur des Staates Bahia einer hohen Persönlichkeit vorgestellt wurden, kam nach der Nennung der wohlklingenden Titel der Freunde sein Name an die Reihe: »Seu Vasco Moscoso de Aragão, Großkaufmann am Platz.« Seu Vasco … Den lieben langen Tag hörte er die verhasste Partikel, sie schmerzte ihn wie eine Ohrfeige, wie eine absichtliche Beleidigung. Sie demütigte ihn bis ins Tiefste seiner Seele, er fühlte sich erröten, er senkte den Kopf, er verlor alle Lust am Fest. Es war ein verdorbener Tag für ihn. Was nutzte ihm all sein Geld, die ihm von so vielen Menschen entgegengebrachte Sympathie, die Freundschaft bedeutender Männer, wenn er nicht wirklich einer von ihnen war, wenn ihn etwas von ihnen trennte, wenn ein Abgrund zwischen ihnen gähnte? Natürlich gab es Leute, die Vasco beneideten und einen Glückspilz in ihm sahen, dem das Leben alles geschenkt hatte. Das war nicht wahr. Es fehlte ihm ein Titel, um jenes demütigende, anonyme »Seu« zu ersetzen, das ihn mit dem niederen Volk, mit den kleinen Leuten, mit dem Pöbel gleichsetzte.
    Wie oft dachte er nach ausgelassenen Abenden in der Stille seines Junggesellenheims, das Gesicht verdüstert, an die leidige Angelegenheit! Was würde er nicht für ein Diplom, selbst für das eines Zahnarztes oder Pharmazeuten, geben, sofern es ihm erlaubte, den Ring des akademischen Grades und ein »Dr.« vor dem Namen zu tragen.
    Er dachte sogar daran, ein Patent der Nationalgarde zu erwerben, wie es zu Beginn der Republik zu Tausenden an die Fazendeiros des Hinterlandes für einige Conto de Réis verkauft worden war. Mittlerweile gab es so viele Patente im ganzen Sertão, dass der Titel »Oberst« nur mehr einen reichen Gutsbesitzer meinte und seine martialische Klangfarbe, seine Waffenwürde vollständig eingebüßt hatte. Im Übrigen wurden diesen Obersten schon lange keine militärischen Ehren mehr erwiesen, kein Gemeiner stand mehr vor ihnen stramm; außerdem war ihnen das Tragen der Uniform untersagt. Dieser Weg war mithin aussichtslos, ja geradezu lächerlich.
    Er träumte sogar – denn der Traum kostet ja nichts – von einem päpstlichen Adelsbrief, aber das war reine Phantasie, der Trost eines Augenblicks, der vor der rauen Wirklichkeit kapitulieren musste. Ein Grafentitel des Vatikans kostete ein Vermögen und kam für seinen Geldbeutel überhaupt nicht in Frage; nicht einmal sein gesamtes Vermögen würde dafür ausgereicht haben. In Salvador existierte nur ein päpstlicher Adeliger, ein Mitglied der Familie Magalhães, Teilhaber der bekannten Großfirma, im Vergleich zu der das Haus Moscoso & Cia. Ltda. ein Kramladen war. Dieser Magalhães hatte allein, aus eigener Tasche, eine Kirche erbaut, hatte dem Papst einen goldenen Christus geschickt, unterstützte Patres und Bruderschaften, hatte zweihundert Conto de Réis in einen Grafentitel investiert, war nach Rom gereist und auch dann nur mit dem Titel eines Komturs heimgekehrt. Somit genügte Geld allein nicht, man musste der Kirche bedeutende Dienste geleistet haben; frommer Eifer und Freundschaften mit Klöstern waren nicht Vascos Stärke; denn als Bohemien besuchte er selten die Messe, hatte sehr lockere Beziehungen zur Kirche und war im Bischofssitz ein Unbekannter.
    Im Bett seinen Gedanken nachhängend, mitunter eine müde Frau neben sich, die zufrieden gähnte, verscheuchte Vasco das Andenken an seinen Großvater, jenen engstirnigen Klotz, für den nur das Geld existiert hatte. Warum hatte dieser, statt ihn als Kind in den stinkenden Zwischenstock der Steilgasse Montanha zu stecken, damit er die Fußböden reinfege, Botengänge mache, Ballen schleppe, Vasco nicht ins Gymnasium und anschließend auf die Universität zum Studium der Medizin oder Jurisprudenz geschickt und ihm dadurch den Zugang zu einer höheren Gesellschaftsschicht ermöglicht? Aber nichts dergleichen: Der alte Moscoso hatte nur an die Firma gedacht und daran, den Enkel als Geschäftsnachfolger

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