Zwei Geschichten von der See
davon, sie aus dem Kabarett zu nehmen. Sie war eine Kanone, ein As, eine Wucht im Bett, aber die jämmerlichste Tänzerin, die Johann je auf einer Bühne gesehen hatte. Und er war um die halbe Welt gereist, bevor er sich in Bahia niedergelassen hatte.
Somit sah sich Vasco Moscoso de Aragão mit einem Mal im Besitz von allem, was sein Herz begehren konnte: von Geld und gesellschaftlicher Stellung, guter Gesundheit und guten Freunden, Überfluss an Frauen, Glück im Spiel und ohne Sorgen. Warum also jener Anflug von Schwermut, der seinen Blick und sein freimütiges Lachen verschleierte?
Der Kapitän Georges Dias Nadreau liebte es, fröhliche Gesichter um sich zu sehen. Daher beschloss er, die geheime Ursache jenes unerklärlichen Kummers und zugleich das passende Heilmittel zu ergründen, um das Gesicht des Freundes zu entwölken. Eine Zeitlang dachte er, es sei Liebeskummer, gekränkte Eifersucht, eine Wunde, die sich mit der Zeit schließen würde, zum Beispiel durch eine neue Leidenschaft für Dorothy. Tatsächlich hatte Vasco sich in letzter Zeit für eine junge Dame der Gesellschaft interessiert: für die heiratsfähige Tochter eines Amtsrichters, ein Brechmittel an Langeweile namens Madalena Pontes Mendes, die er auf einem Fest im Palast kennengelernt hatte. Georges wurde unruhig: Wie konnte eine hochgestochene dumme Gans, hart wie Eisen und mit einer Miene, als hätte sie unausgesetzt Aasgeruch in der Nase, einem ausgeglichenen Mann und Frauenkenner den Kopf verdrehen und ihm die Lebenslust rauben? Das war einfach lächerlich, aber aus Lächerlichkeiten bestand nun einmal die Welt, davon überzeugte er sich immer mehr.
»Wenn ich diese Madalena sehe, wird mir speiübel …«, sagte der Hafenkapitän zum Kommandeur des 19 . Jägerbattaillons, »sie ist eine hochnäsige Pute …«
Seine Hoffnung auf Vascos Genesung beruhte auf Dorothy, auf ihren glühenden Augen, auf ihrem Kussmund, auf ihrem Liebeshunger – »man brauchte ihr nur ins Gesicht zu sehen und wusste Bescheid«. Sie bedurfte nichts als eines strammen Reiters, der sie im Galopp durch die Gefilde der Nacht bis zum Morgengrauen hetzte und keine Rücksicht nahm auf Müdigkeit und Schlafbedürfnis.
»Die lass ich mir gefallen, die ist ein paar Wochen Kopfzerbrechen wert … Aber wegen einer eingebildeten Transuse die Laune zu verlieren ist einfach idiotisch!«
Der besorgte Georges war der Auffassung, Vasco müsse ein für alle Mal mit Dorothy zu Rande kommen, und besprach daher die Angelegenheit ausgiebig mit Carol.
Von Wahn und Wirklichkeit im Hinblick auf Titel und Patente
Jawohl, etwas hatte Madalena Pontes Mendes und ihre dünkelhafte Himmelfahrtsnase mit Vasco Moscoso de Aragãos geheimem Kummer zu tun. Es handelte sich jedoch nicht um Liebesleid, um »Hörnerweh«, um unerwiderte Leidenschaft, wie der Hafenkommandant Nadreau vermutet hatte. Wenn der Kaufmann nur die geringste Heiratsabsicht in Hinblick auf die prüde Jungfer nährte, so schlug sein Herz beim Anblick ihres dürren versnobten Gestells gewiss nie stürmischer. Er schloss nie die Augen, um sie sich nackt vorzustellen, und widmete dem asthmatischen Vater und Amtsrichter sowie der von Baronen abstammenden Mutter viel mehr Zeit und Aufmerksamkeit als deren hochnäsiger Tochter.
Wenn er je ernstlich eine Heirat erwogen hatte, so nur als Teil eines Plans, der ihm die Möglichkeit verschaffen sollte, endgültig in der ersten, exklusiven Gesellschaft von Bahia mit ihren Wappen und Titeln Fuß zu fassen. Wenn er auch unter der Wirkung seines veränderten Umgangs, des lichterglänzenden Palastes, der Nähe des Gouverneurs und der Eleganz jener hochvornehmen Damen diesen Gedanken gefasst hatte, so war daraus doch nie ein fester Vorsatz geworden. Das Ganze war nie etwas anderes als eine kurzlebige, flüchtige Grille mit einem bitteren Nachgeschmack gewesen.
Er hatte an eine vornehme Heirat gedacht, um durch sie seinen geachteten, aber gewöhnlichen Namen, der nach Stockfisch und Trockenfleisch stank, mit einem wohltönenden Nachnamen jenes Ortsadels zu verbinden, der nach dem jüngst vergossenen Sklavenblut roch und seit der Aufhebung der Sklaverei auf dem absterbenden Ast saß. Berechnend ohne die nötige Erfahrung, hatte er ein Auge auf Madalena Pontes Mendes geworfen, weil ihre Familie mütterlicherseits einen Baron und ihr Großvater väterlicherseits, ein gelehrter Gesetzesmacher, Briefe aus der Hand des Kaisers Pedro II . aufzuweisen hatte, kurzum: weil die ganze Sippe
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