Zwei Geschichten von der See
sie ein Mischblut, so gerieten sie völlig aus dem Häuschen. Während er, ein Brasilianer von gemischter Abstammung, sich fast umbrachte für eine Blondine mit weißer, fast rosafarbener Haut. Worauf war diese Verschiedenheit der Geschmäcker zurückzuführen? Er kam jedoch zu keiner Lösung, da drei finstere Gesellen das Kabarett betraten und seinen Stuhl im Vorbeigehen unsanft streiften. Sicherlich führten sie etwas im Schilde, es war deutlich an ihrem heftigen Auftreten zu erkennen: nämlich, wie Vasco gleich darauf feststellen konnte, um dem Gringo die Visage zu zerdeppern und ihm gewaltsam die Mulattin zu entreißen. Der verfluchte Ausländer sollte merken, was es hieß, anderen die Mädchen wegzuschnappen. Was zunächst ein recht einseitiges Massaker zu werden versprach, verwandelte sich alsbald in ein hitziges Handgemenge, denn mit dem Europäer war nicht zu spaßen. Es flogen Flaschen und Stühle, Vasco hielt es nicht länger aus. Drei gegen einen, das war zu viel. Er stürzte sich in die Keilerei, und zwar auf Seiten des Unbekannten, Die Mulattin kreischte, einer der Eindringlinge hatte ihr eine Ohrfeige verabreicht. Vasco war stark, er hatte als Kind Ballen und Bündel geschleppt und bei Giovanni Griffe der Capoeira gelernt.
Der Kampf war blutig und endete mit der Niederlage und Vertreibung der Angreifer. Auch der Besitzer des Kabaretts, der wusste, wer Georges war, hatte sich eingemengt und mit ihm die Kellner; sie überwältigten die drei Raufbolde, deren Geschichte später herauskam. Es handelte sich um den Geliebten der Mulattin und zwei Freunde, die entschlossen waren, die an dem Ersten begangene Treulosigkeit zu rächen und ihn von den unerträglichen Schmerzen des Gehörnten zu befreien. Der siegreiche Georges lehnte es ab, die Polizei zu rufen, wie Vasco vorgeschlagen hatte. Die Mulattin mit ihrem gebrochenen Unterkiefer schien tief ergriffen zu sein über den heftigen Ausbruch ihres Liebhabers und über die Leidenschaft seiner Gefühle, die ihn dazu verführt hatten, einen Überfall auf den Hafenkommandanten, den Herrn der Matrosen und Schiffsjungen, zu planen und durchzuführen. Sie fühlte sich durch seine Heldentat zurückerobert und lief, die Sieger im Kabarett zurücklassend, unter Seufzen und Jammern ihrem geschlagenen Geliebten nach.
Vasco nahm die Einladung Georges’, sich an dessen Tisch zu setzen, mit Vergnügen an; man tauschte Visitenkarten aus, der Kaufmann war entzückt zu erfahren, mit wem er es zu tun hatte – wem er in einer schwierigen Situation zu Hilfe gekommen war:
»Welches Vergnügen, Herr Kapitän! Stellen Sie sich vor: Ich hielt Sie für einen Ausländer …«
»Mein Vater war Franzose, aber ich bin Mineiro, aus Vila Rica.«
»Es ist mir eine Ehre. Bitte, verfügen Sie über mich, Senhor …«
»Lassen wir den ›Senhor‹ beiseite. Wir sind ja Freunde.«
Der Abend endete mit einer gemeinsamen Verbrüderung mit Soraia. Johann tauchte auf, setzte sich zu ihnen, man klatschte der Tänzerin, der Tochter eines Arabers aus São Paulo, Beifall, man lud sie zu Champagner ein und nahm sie mit zwei anderen Mädchen in ein entlegenes Frauenhaus mit, in dem der Kapitän Stammgast war. Am nächsten Tag wurde Vasco dem Oberst, dem Leutnant und Dr. Jerônimo vorgestellt. Dieser borgte sich unverzüglich bei ihm Geld aus und besiegelte damit endgültig jene Freundschaft und Vascos Eintritt in den illustren Kreis.
Und obendrein in die hohe Gesellschaft. Nun wurde er zu den Festlichkeiten des Regierungspalastes eingeladen, zu Empfängen, zu Bällen, zur Parade des Zweiten Juli und des Siebten September auf der offiziellen Tribüne, neben dem Gouverneur, den höchsten Beamten, den hohen Offizieren. Jerônimo schloss ihn ins Herz und ließ ihn nicht mehr los. Und nicht nur die vier Freunde schätzten ihn hoch, sondern auch die anderen – Majore, Hauptleute, Amtsrichter, Abgeordnete, Regierungssekretäre, die sich gelegentlich bei dem Kreis zu einer Plauderei, einer Partie Poker, einem Nachtbummel einfanden. Andere Salons öffneten ihm ihre Türen, dem Intimus des Kabinettschefs des Gouverneurs und dessen Ordonnanzoffiziers, dem Freund des Bataillonskommandeurs und des Hafenkommandanten. Vasco gab seine früheren Kumpane auf, Kaufleute der Unterstadt, beschränkte, engstirnige Leute, die keine Lebensart hatten. Nur Johann, für den Georges viel übrighatte, genoss weiterhin Vascos Zuneigung. Dieser, nach wie vor in Soraia vernarrt, ließ sich hin und wieder blicken und sprach
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