Zwei Geschichten von der See
lauschte er den Reden. Hinter dem Gouverneur, dem Obersten, dem Hafenkommandanten schritt er neben Jerônimo bis zu dem von Zuschauern wimmelnden Largo da Sé, in dessen ehrwürdiger Kirche der Erzbischof das Tedeum zelebrierte. Abends, beim Empfang, trug er die formellere prunkvollere blaue Uniform, in der er freilich erbärmlich schwitzte.
Auf dem ganzen Fest war keine glänzendere, noblere Figur, keine so distinguierte, würdevolle Erscheinung zu sehen.
In einem bestimmten Augenblick ging Georges auf ihn zu, um ihn zu begrüßen:
»Du siehst famos aus, selbst Vasco da Gama wäre neidisch auf dich gewesen. Nur etwas fehlt, um die Pracht zu vervollkommnen.«
»Was denn?«, fragte Vasco ängstlich.
»Ein Orden, mein Sohn. Eine hohe Auszeichnung.«
»Wie soll ich so was haben, wo ich kein Offizier und kein Politiker bin?«
»Das werden wir schon kriegen … wir werden’s schon schaukeln. Es wird dich nur eine Kleinigkeit kosten … Aber es lohnt sich …«
Jerônimo übernahm die Verhandlungen mit dem portugiesischen Konsul, dem Inhaber einer Konditorei an der Praça Municipal, und gab ihm zu verstehen, die Regierung sei an einer Auszeichnung für den Kommandanten Vasco Moscoso de Aragão interessiert.
»Ist das nicht Aragãosinho von der Firma Moscoso & Cia. Ltda., der Enkel vom alten José Moscoso, am Fuß der Steilgasse Montanha?«
»Klar, Senhor, kein anderer. Nur ist er jetzt Kapitän der Handelsmarine …«
»Ich wusste gar nicht, dass er zur See gefahren ist …«
»Ist er auch nicht, hat aber den gesetzlich erforderlichen Wettbewerb bestanden.«
»Ich hab seinen Großvater gut gekannt, einen grundehrlichen Portugiesen, einen hochanständigen Mann. Und wofür soll Seine Erhabene Majestät den Enkel des alten José auszeichnen?«
Jerônimo streifte die Asche seiner Zigarre ab und blinzelte mit seinen spöttischen Augen:
»Für seine bedeutenden Leistungen auf dem Gebiete der Seefahrt …«
»Seefahrt? Davon weiß ich ja gar nichts … Wenn er nie zur See gefahren ist …«
»Hören Sie zu, Seu Fernandes, der Mann zahlt, und Seine Erhabene Majestät kondekoriert unseren braven Aragãosinho für ein paar hübsche Conto de Réis … Und wenn wir keinen anderen Vorwand hätten, so denken Sie daran, dass er Vasco heißt, Kapitän ist, Enkel von Portugiesen und somit fast mit dem Admiral Vasco da Gama verwandt … Was zum Teufel wollen Sie noch mehr? Erfinden Sie irgendeinen Anlass, besorgen Sie die Medaille, und zwar dalli …«
Auf diese Weise wurde der Ruhm des Kommandanten Vasco Moscoso de Aragão endgültig besiegelt, als nach einigen Monaten und einer Vorauszahlung von fünf Conto de Réis Seine Majestät D. Carlos I., König von Portugal und Algarve, ihm den Grad eines Ritters des siebenhundert Jahre alten, aus der Zeit der Kreuzzüge stammenden Ordens Christi für seinen »beachtlichen Beitrag zur Eröffnung neuer Seewege« verlieh. Und zwar als Orden und als Halsband zu tragen, eine Angelegenheit, die sich sehen lassen konnte. Es war eine schlichte, intime Zeremonie, die jedoch durch die Presse ging und anschließend königlich und protokollgemäß mit Wacholderlikör und portugiesischem Wein begangen wurde.
Betitelt, uniformiert, ordengeschmückt erschien Vasco Moscoso de Aragão nie wieder mit hängendem Kopf vor dem Hafenkommandanten. Seine Fröhlichkeit war vollkommen und ansteckend, nie war jemand so glücklich durch die Straßen des alten Bahia gezogen.
Nun widmete er einen großen Teil seiner Zeit der Beschäftigung, in Altwarenläden – deren es übrigens in Salvador nur zwei gab – Ausrüstungsgegenstände und Bordinstrumente zu suchen. Er bezahlte jeden Preis. Auf diese Weise entstand seine Sammlung von Seekarten, Abbildungen von Schiffen, Sextanten, Kompassen und alten Schiffschronometern. Von einer Reise nach Rio brachte Georges ihm einige Instrumente als Geschenk mit.
Sein Seefahrtsmuseum erfuhr eine beträchtliche Bereicherung, als vor der Küste von Bahia in der Nähe der Hauptstadt ein englischer Frachter Schiffbruch erlitt. Die Ausrüstungsgegenstände wurden öffentlich versteigert, der Hauptsteigerer war der Kapitän Vasco Moscoso de Aragão. So ersteigerte er das Steuerrad, ein wertvolles Fernglas, Chronometer, Magnetkompasse, Anemometer, Hygrometer, die Borduhr, eine Jakobsleiter, von zwei Kisten Whisky zur Bewirtung seiner Freunde gar nicht zu reden.
Diese Sucht, nautische Instrumente zu sammeln, sollte er nie mehr aufgeben. Mehrere Jahre später
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