Zwei Geschichten von der See
Justizministerium in Rio und wurde Staatsanwalt oder etwas Ähnliches, und das war nicht zu verachten, machte jedoch seine politischen Pläne zunichte.
Mit dem Regierungswechsel ging auch Pedro de Alencar; ein neuer Oberst und Freund des neuen Staatschefs übernahm das Kommando des 19 . Jägerbataillons. Vasco ließ sich ihm nicht einmal vorstellen, er war seinen Freunden, der Erinnerung an die berühmte Runde treu; er ließ sich im Regierungspalast, bei Empfängen und Festen der Gesellschaft nicht mehr blicken. Zwar nahm er noch in seiner Galauniform an den Paraden des Zweiten Juli und des Siebten September teil, aber fern von den Regierungsleuten und mitten unter dem Volk.
Er hatte auch keine Lust, sich einem neuen Kreis anzuschließen. Wer wie er der Elite der Stadt angehört hatte, konnte sich nicht von neuem unter Kaufleute, Angestellte des Großhandels oder gar Ärzte und junge Rechtsanwälte mengen. In Pensionen und Kabaretts saß er an einem Tisch für sich allein, und der Champagner begann bitter und wehmütig auf seiner Zunge zu schmecken.
Eines Tages verkaufte Carol die Pension Monte Carlo an einen argentinischen Zuhälter, einen widerwärtigen, berechnenden und unangenehmen Gesellen. Vasco begleitete sie auf den Bahnhof, sie kehrte nach Garanhuns zurück, wo ihr Schwager gestorben war und ihre Schwester Unterstützung und Gesellschaft brauchte. Vasco und Carol riefen sich auf dem Bahnsteig die fabelhaften Abende und die Freunde ins Gedächtnis zurück: Jerônimo, dessen Geliebte sie gewesen war; den schönen Leutnant Lídio Marinho, jetzt als Hauptmann in Porto Alegre stationiert; den Obersten Pedro de Alencar, den unerschütterlichen Trinker; oder den unvergesslichen Hafenkommandanten Georges Dias Nadreau mit seinem ausländischen Aussehen, verrückt nach einer kleinen Schwarzen und ein lustiges Haus, wie es kein zweites gab. All das hatte für Carol aufgehört. Fortan würde sie mithelfen, Nichten und Neffen aufzuziehen. Sie würde eine ehrbare Dame, eine reiche Witwe in ihrem friedlichen Geburtsstädtchen sein. Mit feuchten Augen küsste sie Vasco auf beide Wangen:
»Denkst du noch an die Entführung Dorothys?«
Wohin war Dorothy gegangen? Ein Oberst des Hinterlandes hatte sich in ihre rastlosen Augen verliebt, er war Witwer und hatte sie zu sich auf seine Fazenda genommen. Vasco hatte am Vorabend ihrer Abreise mit ihr geschlafen, es war eine tolle Nacht gewesen, als wäre die alte Besessenheit, die betörende Leidenschaft mit der einstigen Kraft wiedererwacht. Man hatte nie wieder etwas von ihr gehört, auch nicht, ob sie bei dem Gutsbesitzer geblieben war oder nicht. Aber auf Vascos rechtem Arm waren noch immer Dorothys Namen und ein Herz eingeritzt.
»Erinnerst du dich noch an den Chinesen mit seinen Tätowierungen?«
So viele Erinnerungen, so viele Dinge, an die man auf dem Weg zum Kai denken musste! Das Schiff lichtete den Anker, Richtung Recife, Carol, fett und wohlriechend, winkte mit dem Taschentuch. »Ein Seemann lässt sich von Traurigkeit nicht unterkriegen« – selbst wenn er ein auf der einsamen Hafenmole der Stadt verlassenes Waisenkind ist.
Jahre vergingen, der Kapitän Vasco Moscoso de Aragão verschwand aus Pensionen und Bordellsalons. Er war auch nicht mehr Chef und Inhaber der Firma Moscoso & Cia. Ltda. Der Schwarze Giovanni war gestorben und hatte als Letztes zu ihm gesagt, er solle sich vor Menendez in Acht nehmen, der Gringo sei keinen Schuss Pulver wert. Als aber Vasco den Rat befolgen und persönlich die Leitung der Geschäfte übernehmen wollte, war Menendez bereits der wirkliche Firmeninhaber. Vasco hatte in jenen Jahren der Ausschweifung ausgegeben, was er besaß und nicht besaß, sein Debetkonto hatte schwindelnde Höhen erreicht. Es folgten langwierige und verwickelte Verhandlungen mit gierigen gerissenen Anwälten. Schließlich trat Vasco aus der Firma aus, erhielt als Anteil einige Mietshäuser und eine Anzahl Staatspapiere, die ihm einen anständigen Lebensunterhalt gewährleisteten. Bei dieser Gelegenheit verkaufte er sein Haus in der Rua dos Barris und erwarb ein kleineres auf dem Largo Dois de Julho, wo er seine nautischen Instrumente aufstellte, an der Wohnzimmerwand seine Diplome eines Kapitäns auf großer Fahrt und des Ritters vom Orden Christi aufhängte und in die Mitte den Tisch mit dem Glaskasten und dem Modell der »Benedikt« stellte.
»Ein Seemann lässt sich nicht unterkriegen«, selbst wenn der Millionär zu einem Rentner geworden ist, selbst
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