Zwei Geschichten von der See
erstand er schließlich von einem auf der Durchreise in Bahia abgestiegenen deutschen Abenteurer ein Teleskop. Der Germane hatte zunächst versucht, sein Instrument öffentlich zu verwerten, indem er Schaulustige Himmel, Mond und Sterne für einen Milréis in vielfacher Vergrößerung sehen ließ. Nachdem sein Versuch gescheitert und die Pensionsrechnung zu bezahlen war, wanderte das Teleskop in Vascos Haus in der Rua dos Barris, das der Kommandant übrigens aufzugeben gedachte.
Das Glanzstück seiner wachsenden Sammlung war das einen halben Meter lange Modell eines Schiffes in einem Glaskasten, die ›Benedikt‹, ein bis ins Kleinste ausgeführter Passagierdampfer. Es war ein Geburtstagsgeschenk Jerônimos; der Journalist hatte das Prachtexemplar im Keller des Regierungspalastes ausgegraben, wo die staubbedeckte Kiste wie wertloses Gerümpel in einer Ecke gestanden hatte. Vasco, fast schwindelig vor Begeisterung, brachte kaum ein Wort des Dankes heraus.
In einer der langen Unterhaltungen mit Giovanni erfuhr er, dass es eine der Gewohnheiten der Schiffsoffiziere, zumal des Kapitäns sei, Pfeife zu rauchen. Nach der maßgeblichen Meinung des alten Schwarzen war ein Kapitän, der nicht an einer Pfeife zog, kein richtiger Kapitän. Am nächsten Tag erschien Vasco im Freundeskreis mit einer englischen Pfeife, die verteufelt schwierig zu rauchen war und alle naselang ausging. Aber mit der Zeit lernte er trotz aller Schwierigkeiten das Pfeiferauchen und brauchte nicht lange, bis er mehrere aus verschiedenem Material, aus Holz, Porzellan und Meerschaum und in verschiedenen Formen besaß.
Hin und wieder suchte Vasco am Frühnachmittag den Hafenkommandanten Georges Dias Nadreau auf. Dabei trug er die Arbeitsuniform, die Mütze auf dem Kopf, die Pfeife im Mund. Und durch das Fenster des Hafenamtes blickte er aufs Meer und schaute beim Festmachen der Schiffe zu.
Eines Tages wurde er in einer Bar, in der er auf den Obersten wartete, einem Senhor aus Pilão Arcado vorgestellt. Die beiden kamen ins Gespräch, und der Wäldler war entzückt über die städtische Bekanntschaft:
»Sie sind also Schiffskapitän … Von einem wirklichen Schiff, nicht von einem alten Kahn, wie sie zu Dutzenden am Flussufer im Schlick liegen. Sie müssen viel zu erzählen haben. Sagen Sie: Sind Sie schon nach China und Japan gesegelt?«
Die unschuldigen Augen des Kapitäns hefteten sich auf das gebräunte Gesicht des Mannes aus Pilão Arcado:
»Nach China und Japan? Mehrere Male, Senhor … Ich kenne das alles wie meine Westentasche …«
»Bitte, sagen Sie mir noch etwas, was ich gerne wissen möchte« – in seinem Wissensdurst beugte er sich fast flach über den Tisch: »Ist es wahr, dass die Haut der Frauen dort drüben glatt ist wie ein Kinderpopo, dass sie nur Haare auf dem Kopf haben, am Körper nicht ein Härchen, und dass ihr kleines Ding verquer liegt? Das hat man mir nämlich erzählt …«
»Schwindel, man hat Ihnen einen Bären aufbinden wollen. Davon ist kein Wort wahr. Die Frauen sind dort wie überall, nur ein bisschen enger, eine Lust, kann ich Ihnen sagen …«
»Tatsächlich? Wie sind sie denn? Haben Sie viele ausprobiert?«
»Einmal bin ich in Shanghai ziellos umhergewandert. In einem dunklen Winkel stieß ich auf eine Chinesin, die weinte. Sie nannte sich Liú …«
Die Augen des rauen Wäldlers glimmten auf, während der Kommandant Vasco Moscoso de Aragão sich unter der Führung von Liú, einer kleinen Chinesin aus Lack und Elfenbein, in die Geheimnisse von Shanghais Opiumräuschen einführen ließ.
Der Abend sank auf den Largo da Sé, das Abendrot tönte die schwarzen Steine der alten Kirche. Vasco nahm Liú an der Hand und begann seine Reise.
Vom Verstreichen der Zeit, von den Veränderungen in der Regierung und in der Firma, mit Betrügereien und einem erhobenen Haupt
Der Kapitän Vasco Moscoso de Aragão hielt sein Versprechen: Er erschien nie wieder mit hängendem Kopf bei dem Hafenkommandanten Georges Dias Nadreau. Nun hatte er seinen Titel, er war glücklich; kein Kummer, keine Schwierigkeit vermochten fortan seinen strahlenden Gesichtsausdruck, seine überschwängliche Fröhlichkeit zu trüben. Mochte er auch vorübergehend Verstimmungen oder Wehmut erliegen, so war er doch bald wieder der alte lebenslustige Kumpan, der keiner Betrübnis nachgab und den Misslichkeiten des Lebens keine Bedeutung beimaß.
Trotzdem fehlte es nicht an Betrübnissen und Misslichkeiten. Ein Schiffskapitän indessen, ein
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