Zwei Krankenschwestern auf dem Jacobsweg oder im Oktober gibt es keine Nachtpilger (German Edition)
bestimmten Platz. Der Platzhirsch tut so, als würde er mich nicht bemerken. Vor dem haben wir unsere Ruhe. Karola, die gerade in der Dusche war, hat von der Szene nichts mitbekommen und beäugt den Übeltäter, nach meinem Bericht, verächtlich durch die Fensterscheibe.
Nach Verrichtung der üblichen Pflichten machen wir uns auf den Weg zu einem Lokal, das die Hospitalera uns empfohlen hat. Dort soll es ein Gutes und preiswertes Menü geben. Wir haben großen Hunger und freuen uns aufs Essen. Der Kellner setzt uns an einen schönen Fensterplatz. Von hier haben wir eine gute Aussicht. Wir wählen unser Essen, da geht wieder die Tür auf ich schaue kurz hoch und bin bedient. Soeben hat der furchtbare Franzose von der Schuhaktion, mit seinem Begleiter das Lokal betreten. Die Herbergen haben natürlich immer bevorzugte Bars, zu denen sie ihre Gäste schicken. Damit hätten wir rechnen können. Zu allem Unglück platziert der Kellner die beiden Unbeliebten direkt neben uns.
Wir ignorieren uns gegenseitig gekonnt, indem wir uns mit dem Essen und den Getränken beschäftigen. Zum Glück verstehen die nur eine Sprache, ihre eigene. Wir können uns also ungestört unterhalten. Die beiden verkosten zügig allerhand spanische Alkoholitäten, der Vino tinto ist auch schnell geleert und die beiden kommen in Stimmung. Sie holen ihre Pilgerpässe hervor und zeigen sich gegenseitig ihre schönsten Stempel und schwelgen in Erinnerungen. Dabei habe ich gedacht, wenn man zusammen pilgert, sind die Stempel identisch. So ist es jedenfalls bei Karola und mir. Diese tollen Erfahrungen wollen sie wohl nun, obwohl sie kein Wort Deutsch, geschweige Englisch können und wir genauso wenig die französische Sprache beherrschen, mit uns teilen. Vergessen sind alle Unstimmigkeiten von vorhin. Es wird eine lustige Unterhaltung und es scheint uns, als ob die beiden etwas zur Übertreibung neigen. Wir tun sehr interessiert und den beiden schwillt die Brust bei ihrer Berichterstattung. Wir verstehen soviel, das sie bis jetzt 1500 Kilometer gelaufen sind und jeden Tag unglaublich hohe Kilometerzahlen laufen. Wir fragen meine Lieblingsfrage: „Wie es mit Blasen an den Füßen aussieht?“ Es ist mal wieder unglaublich, die beiden haben keine einzige Blase. Zum Beweis zieht mein spezieller „Pilgerfreund“ kurzerhand Schuhe und Socken aus und präsentiert im Lokal seine jungfräulichen Füße. Nun gut, Männer haben bessere Gene. Aber ganz ohne Schaden werden die beiden Santiago doch nicht erreichen. Der Friedlichere der beiden hat sich während der Pilgerreise einen Zahn ausgeschlagen und ist an diesen Zustand offenbar schon gut gewöhnt. Beim Lachen vergisst er den kleinen Makel und sieht sehr lustig aus. Ich beschließe solche Supermänner gehören zu unseren Erinnerungsfotos und drücke kurzerhand auf den Auslöser der Kamera. Beim Foto fällt ihm seine Lücke gerade noch ein und im letzten Moment kneift er verbissen den Mund zusammen.
Wir beschließen, dass wir uns wieder mit den Franzosen vertragen haben und in bester Stimmung verabschieden wir uns und machen uns auf den Heimweg.
Karola verschwindet schnell im Bett und ich werde dem Internet noch einige Gedanken des Tages übereignen. Spät in der Nacht gehe ich dann schließlich auch schlafen. Irgendwann werde ich durch Karolas schnarchen geweckt und stupse sie, wie verabredet, an. Davon wach geworden, geht sie gleich zur Toilette. Ich schlafe zum Glück gleich wieder ein und kann auch gut bis zum Morgen schlafen.
19. Oktober, Mittwoch, Portemarin - Areixe, Regen, 21°C, 17,6 km
Ich wecke Karola zur vereinbarten Zeit und schicke sie ins Bad, da regt sich in ihr leichter Widerstand: „Wieso ins Bad, ich hab mich doch schon gewaschen!“ Wir schauen uns an und müssen herzhaft lachen. Als ich sie nachts angestupst habe, hielt sie das für die Weckaufforderung und ging sich waschen. Danach hat sie sich, in blindem Vertrauen, dass ich sie nicht in der Herberge zurücklasse, noch mal schlafen gelegt. Kurz nach 8.00 Uhr verlassen wir die Herberge in Portomarin. Wir trinken in der nächstgelegenen Bar noch unseren Kaffee Amerikano und dann führt uns die große Eingangstreppe von Portomarin aus dem Ort hinaus. Karola ist die Treppe so schnell runter gelaufen, dass wir nicht mal mehr ein Foto machen können, denn sie ist natürlich nicht gewillt die steile Treppe noch mal hoch zusteigen.
Hier genau an der Stelle entstand vor 2 Jahren ein Foto mit meinen Kindern und mir. Wir haben in der größten
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