Zwei Krankenschwestern auf dem Jakobsweg
bestimmten Platz. Der Platzhirsch tut so, als würde er mich nicht
bemerken. Vor dem haben wir unsere Ruhe. Karola, die gerade in der Dusche war,
hat von der Szene nichts mitbekommen und beäugt den Übeltäter, nach meinem
Bericht, verächtlich durch die Fensterscheibe.
Nach Verrichtung der üblichen Pflichten machen wir uns auf den Weg zu einem
Lokal, das die Hospitalera uns empfohlen hat. Dort soll es ein Gutes und
preiswertes Menü geben. Wir haben großen Hunger und freuen uns aufs Essen. Der
Kellner setzt uns an einen schönen Fensterplatz. Von hier haben wir eine gute
Aussicht. Wir wählen unser Essen, da geht wieder die Tür auf ich schaue kurz
hoch und bin bedient. Soeben hat der furchtbare Franzose von der Schuhaktion,
mit seinem Begleiter das Lokal betreten. Die Herbergen haben natürlich immer
bevorzugte Bars, zu denen sie ihre Gäste schicken. Damit hätten wir rechnen
können. Zu allem Unglück platziert der Kellner die beiden Unbeliebten direkt
neben uns.
Wir ignorieren uns gegenseitig gekonnt, indem wir uns mit dem Essen und den
Getränken beschäftigen. Zum Glück verstehen die nur eine Sprache, ihre eigene.
Wir können uns also ungestört unterhalten. Die beiden verkosten zügig allerhand
spanische Alkoholitäten, der Vino tinto ist auch schnell geleert und die beiden
kommen in Stimmung. Sie holen ihre Pilgerpässe hervor und zeigen sich
gegenseitig ihre schönsten Stempel und schwelgen in Erinnerungen. Dabei habe
ich gedacht, wenn man zusammen pilgert, sind die Stempel identisch. So ist es
jedenfalls bei Karola und mir. Diese tollen Erfahrungen wollen sie wohl nun,
obwohl sie kein Wort Deutsch, geschweige Englisch können und wir genauso wenig
die französische Sprache beherrschen, mit uns teilen. Vergessen sind alle Unstimmigkeiten
von vorhin. Es wird eine lustige Unterhaltung und es scheint uns, als ob die
beiden etwas zur Übertreibung neigen. Wir tun sehr interessiert und den beiden
schwillt die Brust bei ihrer Berichterstattung. Wir verstehen soviel, das sie
bis jetzt 1500 Kilometer gelaufen sind und jeden Tag unglaublich hohe
Kilometerzahlen laufen. Wir fragen meine Lieblingsfrage: „Wie es mit Blasen an
den Füßen aussieht?“ Es ist mal wieder unglaublich, die beiden haben keine
einzige Blase. Zum Beweis zieht mein spezieller „Pilgerfreund“ kurzerhand
Schuhe und Socken aus und präsentiert im Lokal seine jungfräulichen Füße. Nun
gut, Männer haben bessere Gene. Aber ganz ohne Schaden werden die beiden
Santiago doch nicht erreichen. Der Friedlichere der beiden hat sich während der
Pilgerreise einen Zahn ausgeschlagen und ist an diesen Zustand offenbar schon
gut gewöhnt. Beim Lachen vergisst er den kleinen Makel und sieht sehr lustig
aus. Ich beschließe solche Supermänner gehören zu unseren Erinnerungsfotos und
drücke kurzerhand auf den Auslöser der Kamera. Beim Foto fällt ihm seine Lücke
gerade noch ein und im letzten Moment kneift er verbissen den Mund zusammen.
Wir beschließen, dass wir uns wieder mit den Franzosen vertragen haben und in
bester Stimmung verabschieden wir uns und machen uns auf den Heimweg.
Karola verschwindet schnell im Bett und ich werde dem Internet noch einige
Gedanken des Tages übereignen. Spät in der Nacht gehe ich dann schließlich auch
schlafen. Irgendwann werde ich durch Karolas schnarchen geweckt und stupse sie,
wie verabredet, an. Davon wach geworden, geht sie gleich zur Toilette. Ich
schlafe zum Glück gleich wieder ein und kann auch gut bis zum Morgen schlafen.
19. Oktober, Mittwoch, Portemarin - Areixe, Regen, 21°C,
17,6 km
Ich wecke Karola zur vereinbarten Zeit und schicke sie ins
Bad, da regt sich in ihr leichter Widerstand: „Wieso ins Bad, ich hab mich doch
schon gewaschen!“ Wir schauen uns an und müssen herzhaft lachen. Als ich sie
nachts angestupst habe, hielt sie das für die Weckaufforderung und ging sich
waschen. Danach hat sie sich, in blindem Vertrauen, dass ich sie nicht in der
Herberge zurücklasse, noch mal schlafen gelegt. Kurz nach 8.00 Uhr verlassen
wir die Herberge in Portomarin. Wir trinken in der nächstgelegenen Bar noch
unseren Kaffee Amerikano und dann führt uns die große Eingangstreppe von
Portomarin aus dem Ort hinaus. Karola ist die Treppe so schnell runter
gelaufen, dass wir nicht mal mehr ein Foto machen können, denn sie ist
natürlich nicht gewillt die steile Treppe noch mal hoch zusteigen.
Hier genau an der Stelle entstand vor 2 Jahren ein Foto mit
meinen Kindern und mir. Wir haben in der größten
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