Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
versuchte, sei dahingestellt. Zwanzig Minuten vor Abflug der Maschine erreichten wir den Schalter unserer Fluglinie und baten um Einlass. Vergeblich. Man darf allerhöchstem 30 Minuten vor der geplanten Abflugzeit auftauchen.
Das gibt’s doch nicht! Wegen zehn Minuten liefern wir uns jetzt hier eine heiße Debatte mit dem Personal. Es führt kein Weg rein. Alle Diskussionen zwecklos. Verdammt! Betrübt verlassen wir den Flughafen. Umbuchungen oder andere Zielorte schneiden in unserer Kosten-Nutzen-Rechnung schlecht ab. Wir stehen gerade zum Volltanken an einer Zapfsäule und erblicken ein Flugzeug, das erst vor wenigen Minuten gestartet sein muss. Das fliegt sicher ins französische Montpellier. Guten Flug! Das ist hart. Doch bereits beim Abendessen im Restaurant trösten wir uns mit dem Gedanken, dass es sicher für irgendetwas gut ist. „Alles hat einen bestimmten Grund.“, bauen wir uns gegenseitig auf. Im Nachhinein,...
Genau das glaube ich auch heute noch. „Da ist eben immer irgendetwas!“ Dass nun aber alles, was uns passiert einer konkreten Anweisung folgt, will ich nicht glauben. Ich sehe den Sinn des Lebens nicht in der Erfüllung irgendeines großen Masterplans. Und auch mit dem persönlichen Sinn des Lebens, in Form einer Sache, die jemand unbedingt und zweifelsohne erreichen muss, bin ich vorsichtig. Natürlich habe ich Pläne, aber wie würde es mir denn gehen, wenn ich festgefahren tagein, tagaus für die Superchefposition kämpfe oder penibel das Geld fürs Luxustraumhaus beiseite lege? Bin ich dann nicht zu Tode betrübt, wenn der Laden, indem ich der Bigboss bin, plötzlich pleite ist oder meine Bank, die die Hausfinanzierung unterstützt, auf ein Mal Bankrott geht? Ist der Sinn des Lebens dann verfehlt und tiefe Trauer der einzige Ausweg? Ich halte es für sinnvoller in kleinen Schritten zu denken und zu planen. Natürlich ist es für die menschliche Entwicklung unerlässlich einen eigenen Lebensentwurf anzufertigen; so wird diese Aufgabe von Jugendlichen bereits in ihrer Pubertät gemeistert; aber das Festbeißen an konkreten Lebensausgestaltungen und Prinzipien kann wenig sinnvoll sein. Wechselnde Lebensumstände erfordern schließlich Flexibilität und Zuversicht.
12. Pilgertag
ETAPPENZIEL: AIREXE
Weil sich nicht nur Lebensumstände verändern, sondern wir hier ja jeden Tag unseren Schlafplatz wechseln, packen wir heute, am 17. September gegen 9:00 Uhr unsere sieben Sachen zusammen und laufen zum Frühstücken nach Portomarín. Dort fühlen wir uns heute wie zwei Stars. Ein argentinisches Ehepaar findet uns scheinbar total ursprünglich und bittet um ein Foto von zwei waschechten Jakobspilgern. Wir legen unser klassisches Brot bereitwillig bei Seite und lächeln freundlich. Beim Versuch die Bar zu verlassen, sprechen sie uns nochmalig an und knipsen uns im Stehen mit unseren Wanderstäben. Ratz Fatz sehen wir abwechselnd gleich in zwei Kameras und werden begeistert und mit den besten Wünschen für den verbleibenden Weg verabschiedet. Die folgenden 18 Kilometer nach Airexe erscheinen uns heute wie ein lang gezogener, zäher Kaugummi. Als wir dann endlich am Ziel sind, bemerken wir Deppen zunächst nicht einmal, dass wir uns bereits am Etappenende befinden.
Unsere Reiseführer verschaffen jedoch noch rechtzeitig Klarheit und wir schlagen unser Lager unmittelbar am Ortsausgang auf einer bewaldeten Anhöhe auf. Beim Errichten unseres Wildnishotels, vernehmen wir in regelmäßigen Abständen laute Knallgeräusche. Was das wohl ist? Den Sound gab es hier schon öfter zu hören und wir haben schon einige Male herumgewitzelt, dass die Spanier vielleicht auf Pilgerjagd gehen. Auch wenn wir uns mittlerweile sogar einbilden, Druckwellen zu spüren, ist noch Zeit für weitere Jagdwitze und ich möchte leicht verängstigt wissen, ob die hier auf kleine, grüne Zelte schießen. Wir lachen und krabbeln ins Innere unserer Zielscheibe. Nach dem Abendschmaus, der eher geräuscharm verläuft, schnappe ich mir mein Handy und unternehme den obligatorischen Elternanruf. Im Gespräch mit meinem Vater erwähne ich total beiläufig und eigentlich völlig ungewollt, dass hier gerade mal wieder geschossen wird. Wie es sich als Vater gehört, schnappt der bald über vor Sorge und erzählt Horrorgeschichten von Jagdunfällen und Zelten, die in der Dämmerung wie Rehe aussehen. Nach dem Gespräch übersetze ich Cornelia, alles was sie sowieso schon, dank der aufgeregten Stimme meines Vaters, verstanden hat. Wir
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